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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Nase saß eine Bifokalbrille. Was die Szene so unheimlich machte, war der Umstand, daß die Bettdecke, die sich um seine Hüften aufbauschte, unten glatt auf dem Bett lag. Er hatte keine Beine. Der Rollstuhl, der rechts neben dem Bett stand, verstärkte den Schock. Auf dem Sitz lag eine karierte Decke, unter der zwei Beine in schwarzen Hosen und Slippern zum Vorschein kamen. Sie ruhten auf den Fußstützen. Es sah aus, als sitze der Mann zur Hälfte im Bett und zur Hälfte im Rollstuhl. Seine Verblüffung stand Bosch anscheinend im Gesicht geschrieben.
    »Prothesen«, sagte eine rasselnde Stimme vom Bett. »Ich habe meine Beine verloren … Zucker. Es ist fast nichts mehr von mir übrig. Nur meine Eitelkeit. Ich hab’ mir die Beine für öffentliche Auftritte machen lassen.«
    Bosch trat näher ans Licht. Die Haut des Mannes sah aus wie die Rückseite von abgezogenen Tapeten. Gelb und bleich. Seine Augen saßen tief in den Höhlen des skeletthaften Gesichts. Vom Haar waren nur noch ein paar Strähnen um die Ohren übriggeblieben. Blaue Adern, so dick wie fette Regenwürmer, zogen sich unter seiner fleckigen Haut über die Hände. Er sah aus wie der Tod, dachte Bosch. Seine Lebenskraft hatte ihn verlassen, und der Tod ergriff schrittweise Besitz von ihm.
    Conklin legte das Buch auf den Tisch neben die Lampe. Es sah aus, als sei das schwere Arbeit für ihn. Bosch las den Titel: Neonregen.
    »Ein Krimi«, sagte Conklin und lachte meckernd. »Ich vergnüge mich mit Krimis. Ich habe ein Faible dafür entwickelt. Hatte ich früher nie. Ich hatte keine Zeit. Komm rein, Monte. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin ein harmloser alter Mann.«
    Bosch trat noch näher, bis das Licht auf sein Gesicht fiel. Er sah, wie Conklins wäßrige Augen ihn studierten und dann zu dem Schluß kamen, daß er nicht Monte Kim war. Es war viel Zeit vergangen, aber Conklin schien sich sicher zu sein.
    »Ich bin an Montes Stelle gekommen«, flüsterte Bosch.
    Conklin drehte seinen Kopf leicht zur Seite und Bosch sah, daß seine Augen auf den Notknopf am Nachttisch gerichtet waren. Anscheinend kam er zu dem Schluß, daß er keine Chance und keine Kraft hatte, den Knopf zu betätigen. Er wandte sich wieder Bosch zu.
    »Wer sind Sie dann?«
    »Ich beschäftige mich sozusagen auch mit einem Krimi.«
    »Ein Detective?«
    »Ja. Mein Name ist Harry Bosch und ich wollte Sie …«
    Er brach ab. Eine Veränderung ging in Conklins Gesicht vor. Bosch wußte nicht, ob es Furcht war oder ob er ihn erkannte.
    Aber etwas hatte sich verändert. Conklin richtete seine Augen nach oben, und Bosch begriff, daß der alte Mann lächelte.
    »Hieronymus Bosch«, flüsterte er. »Wie der Maler.«
    Bosch nickte langsam. Er merkte, daß er genauso geschockt war wie der Alte.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Weil ich von Ihnen gehört habe.«
    »Wie?«
    »Von Ihrer Mutter. Sie hat mir von Ihnen und Ihrem besonderen Namen erzählt. Ich habe Ihre Mutter geliebt.«
    Es war, als schlüge Bosch ein Sandsack gegen die Brust. Es preßte ihm die Luft ab, und er stützte sich mit einer Hand auf das Bett.
    »Setzen Sie sich. Bitte.«
    Conklin streckte eine zittrige Hand aus und deutete auf das Bett. Er nickte, als Bosch sich setzte.
    »Nein«, sagte Bosch rauh und stand gleich wieder auf. »Sie haben sie benutzt und getötet. Dann haben Sie Schweigegeld bezahlt, damit nichts ans Licht kommt. Deshalb bin ich hier. Ich will die Wahrheit von Ihnen hören und kein Gelaber, daß Sie sie geliebt hätten. Sie sind ein Lügner.«
    Conklin hatte einen flehenden Ausdruck in seinen Augen. Er wandte sich ab, zur dunklen Seite des Zimmers.
    »Die Wahrheit kenne ich nicht.« Seine Stimme rasselte wie dürres Laub. »Ich übernehme für alles die Verantwortung, und deshalb könnte man sagen, daß ich sie getötet habe. Aber ich habe sie geliebt. Sie können mich einen Lügner nennen, aber das ist die Wahrheit. Sie würden einem alten Mann Trost spenden, wenn Sie es glauben würden .«
    Bosch verstand nicht ganz, was vor sich ging, was gesagt wurde.
    »Sie war mit Ihnen zusammen, an dem Abend. In Hancock Park.«
    »Ja.«
    »Was ist passiert? Was haben Sie getan?«
    »Ich habe sie umgebracht … mit meinen Worten, meinen Taten. Es hat lange gedauert, bis ich das begriffen habe.«
    Bosch trat ganz nah an den alten Mann heran. Er hätte ihn am liebsten gepackt und geschüttelt, um ihn zur Besinnung zu bringen. Arno Conklin war jedoch zu zerbrechlich. Er hätte ihn in Stücke gerissen.
    »Wovon reden

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