Der letzte Coyote
Tatort und der Autopsie ansehen müssen, wußte jedoch, daß er dazu nicht imstande war. Er konnte den Umschlag unmöglich öffnen.
Bosch nahm die Tüte mit der Bluse aus der Schachtel und las die Anhänger und anderen Vermerke. Nichts schien darauf hinzuweisen, daß man das Blut analysiert hatte.
Dies gab ihm neuen Mut. Es war gut möglich, daß das Blut nicht von seiner Mutter stammte, sondern vom Mörder. Er hatte keine Ahnung, ob das Blut noch untersucht werden oder sogar eine DNS-Analyse gemacht werden konnte. Aber er würde es herausfinden.
Er wußte, daß das Problem die Vergleichsprobe war. Es nutzte nichts, wenn man das Blut analysieren konnte, es jedoch keine Vergleichsprobe gab. Um Blut von Conklin, Mittel oder irgend jemand anderem zu bekommen, brauchte er einen Gerichtsbeschluß. Und für den brauchte er Beweise. Verdachtsmomente und Ahnungen reichten nicht aus.
Er hatte gerade die Plastiktüten geordnet, um sie wieder in die Schachtel zu legen, als er innehielt, um sich ein Beweisstück anzusehen, das er bisher nicht besonders beachtet hatte. Der Gürtel, mit dem das Opfer erwürgt worden war.
Bosch beäugte ihn einige Augenblicke, als wollte er eine Schlange identifizieren, bevor er ihn wieder aus der Schachtel herausholte. Man hatte den Faden für den Inventaranhänger durch eines der Gürtellöcher gezogen. Schwarzes Pulver bedeckte die glatte Schnalle in der Form einer Silbermuschel. Einige gewellte Linien eines Daumenabdrucks waren noch zu erkennen.
Er hielt die Tüte ins Licht. Es war schmerzhaft, aber er schaute hin. Der Gürtel war drei Zentimeter breit und aus schwarzem Leder. Die Muschelschnalle war das größte Ornament, aber kleinere Silbermuscheln verzierten den Gürtel über die ganze Länge. Er rief eine Erinnerung in ihm wach. Eigentlich hatte nicht er ihn ausgesucht. Meredith Roman war mit ihm ins May auf dem Wilshire Boulevard gegangen. Sie hatte den Gürtel dort entdeckt und gesagt, daß er seiner Mutter gefallen würde. Bezahlt hatte sie, aber er durfte ihn seiner Mutter zum Geburtstag geben. Meredith hatte recht gehabt. Seine Mutter hatte ihn oft getragen. Sie hatte ihn jedesmal getragen, wenn sie ihn im Heim besuchte. Und sie hatte ihn in der Nacht getragen, als sie ermordet wurde.
Auf dem Anhänger stand nur die Fallnummer und McKittricks Name. Bosch bemerkte, daß das zweite und vierte Loch des Gürtels ausgeweitet waren. Wahrscheinlich hatte ihn seine Mutter manchmal enger getragen – vielleicht um jemanden zu beeindrucken – oder weiter, über schwerere Stoffe. Er wußte jetzt alles über den Gürtel – außer, wer sie damit erwürgt hatte.
In dem Moment wurde ihm mit aller Deutlichkeit bewußt, daß die Person, die diesen Gürtel, diese Waffe, vor den Polizisten in der Hand gehalten hatte, seiner Mutter das Leben genommen und damit sein Leben für immer verändert hatte. Er legte ihn vorsichtig in die Schachtel zurück und packte die andere Kleidung darauf. Dann verschloß er sie mit dem Deckel.
Bosch konnte unmöglich zu Haus bleiben. Er mußte hinaus. Ohne sich umzuziehen stieg er in den Mustang und fuhr los. Es war jetzt dunkel, und er fuhr auf dem Caduenga Boulevard nach Hollywood hinunter. Er sagte sich, daß es egal sei, wohin er führe. Aber das war gelogen. Er wußte, wohin er fahren mußte. Als er den Hollywood Boulevard erreichte, fuhr er nach Osten.
Sein Wagen brachte ihn zur Vista Street, wo er nach Norden abbog und dann in das erste Hintergäßchen fuhr. Die Scheinwerfer drangen durch die Dunkelheit und beleuchteten ein Schlaflager von Obdachlosen. Ein Mann und eine Frau saßen unter einem großen Stück Karton, das gegen eine Wand gelehnt war. Zwei andere Körper lagen in Decken und Zeitungen gehüllt daneben. Das schwache Glühen eines erlöschenden Feuers erhellte den Rand einer Abfalltonne. Bosch fuhr langsam vorbei, seine Augen waren weiter nach vorne auf die Stelle gerichtet, wo nach der Zeichnung in der Akte der Fundort der Leiche gewesen sein mußte.
Das Hollywood-Souvenirgeschäft war jetzt ein Pornoladen. Für schüchterne Kunden gab es hier einen Hintereingang. Mehrere Autos parkten an der Rückseite des Gebäudes. Bosch hielt an und schaltete die Scheinwerfer aus. Er blieb im Wagen sitzen, ohne das Bedürfnis zu haben auszusteigen. Nie zuvor war er hier gewesen. Wo man die Leiche seiner Mutter gefunden hatte. Er wollte nur ein paar Augenblicke stillsitzen und sehen und fühlen.
Er zündete sich eine Zigarette an und beobachtete, wie ein
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