Der letzte Coyote
der Tür trat.
Er stand einige Meter entfernt zwischen zwei anderen Wagen. Sein Lähmung ließ etwas nach, und er rutschte auf seinem Sitz nach unten, um nicht bemerkt zu werden. Sie kam auf den Parkplatz und ging die Reihe hinter Boschs Mietwagen lang. Er drehte sich nicht um. Er lauschte und wartete auf das Anlaßgeräusch eines Autos. Und dann? Was sollte er dann tun? Ihr folgen?
Er fuhr hoch, als er ein lautes Klopfen am Seitenfenster hörte. Sie. Er war gerade noch in der Lage, den Schlüssel umzudrehen, so daß er das Fenster herunterlassen konnte.
»Ja?«
»Mr. Bosch! Was tun Sie hier?«
»Was meinen Sie?«
»Sie haben hier im Wagen gesessen. Ich habe Sie gesehen.«
»Ich …«
Er war völlig gedemütigt.
»Ich frage mich, ob ich nicht besser den Wachdienst anrufen sollte.«
»Nein, tun Sie das nicht. Ich wollte gerade … ich wollte zu Ihnen. Um mich zu entschuldigen.«
»Entschuldigen? Weshalb?«
»Für heute. Für heute morgen. Ich … Sie hatten recht. Ich wollte die Wohnung nicht kaufen.«
»Was wollten Sie in Wahrheit?«
Bosch öffnete die Tür und stieg aus. Er fühlte sich im Nachteil, wenn sie auf ihn herabsah.
»Ich bin Polizist«, sagte er. »Ich mußte in den Komplex gelangen, um jemanden aufzusuchen. Ich habe Sie benutzt. Es tut mir leid – wirklich. Ich hatte keine Ahnung von Ihrem Vater und all dem.«
Sie lächelte und schüttelte den Kopf.
»Das ist die dümmste Geschichte, die ich je gehört habe. Was ist mit L. A., war das auch Teil der Story?«
»Nein, ich komme wirklich aus L. A. Ich bin dort Polizist.«
»Ich weiß nicht, ob ich das zugeben würde, wenn ich Sie wäre. Sie haben ein paar Image-Probleme.«
»Ja, ich weiß. Also …« Er fühlte, daß seine Sicherheit zurückkehrte. Morgen früh würde er abfliegen. Es spielte also keine Rolle, was noch passierte, weil er weder sie noch diesen Staat je wiedersehen würde. »Sie sprachen heute morgen von Limonade. Dabei habe ich keine bekommen. Ich dachte, ich könnte Ihnen die Geschichte erzählen, mich entschuldigen und mit Ihnen Limonade oder etwas anderes trinken.«
Er schaute hinüber zur Haustür.
»Ihr Polizisten aus L. A. geht ganz schön ran«, sagte sie lächelnd. »Ich hoffe, daß Ihre Geschichte es wert ist. Ein Glas und dann müssen wir beide gehen. Ich fahre heute abend nach Tampa.«
Sie gingen nebeneinander zur Tür, und Bosch bemerkte, wie ein Lächeln über sein Gesicht ging.
»Was ist in Tampa?«
»Ich lebe dort und ich vermisse es. Seitdem die Wohnung zum Verkauf steht, bin ich mehr hier als da. Ich will den Sonntag zu Hause verbringen, in meinem Studio.«
»Ach richtig. Sie sind Malerin.«
»Ich versuch’s.«
Sie öffnete die Tür und ließ ihn zuerst eintreten.
»Nun, so ein Zufall. Ich muß auch irgendwann heute abend nach Tampa. Ich fliege morgen zurück.«
Während er ab und zu an einem großen Glas Limonade nippte, erzählte Bosch ausführlich, wie er sie dazu benutzt hatte, am Tor durchgelassen zu werden. Sie schien es ihm nicht übelzunehmen. Im Gegenteil, sie schien seine Raffiniertheit zu bewundern. Bosch erzählte ihr nicht, wie sein Plan nach hinten losgegangen war, als McKittrick seine Waffe zog. Er beschrieb ihr vage den Fall, ohne seine persönliche Beziehung zu erwähnen. Das Vorhaben, einen Fall nach dreiunddreißig Jahren zu lösen, faszinierte sie anscheinend.
Aus einem Glas Limonade wurden vier, und die letzten zwei waren mit einem ordentlichen Schuß Wodka versehen. Das heilte Bosch gänzlich von seinen Kopfschmerzen, und er sah alles in rosigem Licht. Zwischen dem dritten und vierten Glas, fragte sie ihn, ob sie rauchen dürfte, und er steckte für sie beide Zigaretten an. Als sich der Himmel draußen über den Mangroven verdunkelte, brachte er das Gespräch auf sie. Bosch hatte das Gefühl, daß sie einsam war und irgendein Geheimnis hatte. Hinter dem schönen Gesicht befanden sich Narben. Unsichtbare Narben.
Sie hieß Jasmine Corian, ihre Freunde nannten sie jedoch Jazz. Sie erzählte ihm, daß sie in Florida aufgewachsen war und nie hatte weggehen wollen. Sie war einmal verheiratet gewesen, aber das war schon lange her. Jetzt lebte sie allein und hatte sich daran gewöhnt. Sie konzentrierte sich auf ihre Kunst, und Bosch verstand auf seine Weise, was sie meinte. Seine Kunst – auch wenn kaum jemand es so nennen würde – beanspruchte ebenfalls den größten Teil seines Lebens.
»Was malen Sie?«
»Porträts.«
»Von wem?«
»Leute, die ich kenne. Vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher