Der letzte Druide (German Edition)
kam Bastian an Kalas Hütte vorbei. Doch die
Kräutersammlerin war nicht daheim, wahrscheinlich unternahm
sie gerade einen Streifzug durch die Gegend. Die Tür war
unverschlossen, sodass Bastian eintrat und sich im Innern umsah. Was er vorfand, beunruhigte ihn etwas. Der Raum machte den Eindruck, als sei er überstürzt verlassen worden. Über der offenen Feuerstelle, deren Glut längst erloschen und erkaltet war, hing ein Topf mit völlig verkochten Essensresten. Der Tisch war gedeckt, als habe gerade jemand daran Platz genommen, um eine Mahlzeit zu sich zu nehmen. Der Teller war halb gefüllt mit etwas Fleisch und Gemüse. Eine angebissene Brotkante lag daneben. In einem Holzbecher befand sich noch ein Rest Wasser.
Die Hütte war eiskalt, als sei sie seit Tagen nicht mehr geheizt worden.
Bastian überlegte, ob er die Nacht hier verbringen sollte. Bis zur Dämmerung war es höchstens noch eine Stunde, und bald würde er auf den Boden unter sich achtgeben müssen, weil er in moorige Gebiete vordrang. Zu frisch war noch die Erinnerung an die mörderischen Kobolde.
Er beschloss, Vorsicht walten zu lassen und das Risiko einer zeitlichen Verzögerung einzugehen. Rasch entfachte er ein munteres Feuer und holte von draußen einen genügenden Holzvorrat herein, um die Flammen bis zum nächsten Morgen in Gang zu halten. Danach richtete er sich mit ein paar Wolldecken, die er fand, ein Lager neben dem Kamin her. Kalas Bett wollte er nicht benutzen, weil er immer noch hoffte, dass die Kräutersammlerin zum Abend zurückkehren würde. Vielleicht konnte er von ihr Informationen darüber erhalten, was sich in und um die Dunkle Schmiede ereignet hatte.
Auf dem Dielenboden der Hütte waren überall kleine Baumrindenstücke verstreut. Bastian sah sie erst, als er mit seiner Arbeit fertig war. Er nahm einen Besen, kehrte die Holzabfälle zusammen und warf sie ins wärmende Feuer.
Da geschah etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Eine Art Schmerzenslaut strich durch die Hütte, und über dem züngelnden Feuer entstand ein magisches Hologramm — das Abbild einer Frauengestalt!
Ohne Mühe erkannte Bastian in der Fata Morgana die Kräutersammlerin Kala, die ihnen so vieles über Saramoon berichtet hatte, und die nun verschwunden war.
Das Ganze währte nur ein paar Sekunden, dann löste sich das magische Bild wieder auf. Wie ein sprachloser Geist war Kala erschienen. Nun war sie wieder fort.
Was bedeutete das?
Das neuerliche Rätsel trug nicht dazu bei, Bastian beruhigt einschlafen zu lassen. Doch irgendwann siegte die Müdigkeit, und er wachte erst wieder im Morgengrauen auf. Das Kaminfeuer war fast heruntergebrannt. Bastian erhob sich von seinem Lager. Er fühlte sich ausgeruht und dachte kaum noch an die seltsame Erscheinung. Er fand etwas trockenes Brot und aß es, dann brach er auf. Das Moor wollte er umgehen und so auf dem schnellsten Weg zu Redneks Hütte gelangen. Auch ohne Kompass traute er sich dies zu.
Draußen herrschten einige Minusgrade, aber der Sturm, der noch die ganze Nacht um die Hütte geheult hatte, war zu einem schwachen Lüftchen abgeflaut, sodass fast ideale Bedingungen für den weiteren Marsch herrschten.
Unterwegs begegnete Bastian niemanden. Die Insel schien völlig menschenleer geworden zu sein, verlassen.
Trotz aller Vorsicht geriet er einmal in einen Moorstreifen, kam jedoch wieder mit heiler Haut heraus.
Gegen Mittag kam er an das Gehöft, das er auf dem Hinweg bereits mit Patzer in einiger Entfernung gesehen hatte. Er steuerte direkt darauf zu, weil er irgendwie das Bedürfnis hatte, endlich mal wieder einen anderen Menschen zu sehen, ganz gleich wen.
Seine Enttäuschung war groß, als er feststellen musste, dass der Hof ebenso bar von Menschen war wie alles, was er auf dem Rückweg bisher angetroffen hatte. Auch hier sah es nach einem überstürzten Aufbruch aus, fast nach einer Flucht.
Bastian wollte seinen Weg bereits fortsetzen, als er die kläglichen Laute aus dem angrenzenden Stall hörte. Mit ungutem Gefühl ging er zur Stalltür, schob den Riegel beiseite und spähte vorsichtig ins Innere.
Ihm bot sich ein Bild des Jammers. Die Tiere, die dort an ihre leeren Tröge gebunden waren, mussten seit Tagen ohne Futter und Pflege sein. Zwei Kühe mit prallgefüllten Eutern waren darunter. Sie brauchten dringend jemanden, der sie von ihrer Milch befreite, sonst würden sie qualvoll verenden, soviel wusste selbst Bastian als Stadtkind. Er hatte noch nie versucht, eine Kuh zu melken,
Weitere Kostenlose Bücher