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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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von dem Wunderwerk, dass seiner Großmutter ein neues Leben geschenkt hatte. Während sie sprach, wandte sie den ganzen Körper und ihre halbe Aufmerksamkeit Nyberg zu. Agneta, die auf der anderen Seite saß, sorgte dafür, dass der Elektriker ihr Knie an seinem Oberschenkel spürte, aber auch ihre Augen tasteten nach dem Kellergriechen. Tore Ollén lachte gerade über etwas, was Jannis erzählte. Manolis strich sich müde über die Bartstoppeln und murmelte, manchmal müssten Träume eine Generation überspringen, um Wirklichkeit zu werden. »Kristianstad natürlich!«, platzte der Schmied betrunken heraus. »Aber die letzte Mücke muss ich aufpassen. Oder antworten nein. Doch. Nein. Ich antworte nein.« Jannis schüttelte mitleidig den Kopf, dann rief er Anton hinzu, der erklärte, die Frage lasse sich unmöglich beantworten. Lily kratzte ihre Erdbeeren in Theos Schale.
    Am siebten Tag wurde vom Haus bis zum See ein Zementweg verlegt. Danach wurden die Flaschen entlang des Wassers entfernt und Eisenstangen in die Löcher eingepasst. Nachdem der Zement steif geworden war, schraubte Nyberg Bretter daran, die in einer Farbe gebeizt worden waren, die »braun wie Scheiße ist, anders man kann es nicht sagen«, so jedenfalls Jannis, als er zufrieden an dem Geländer ruckelte. Der Elektriker lachte. »Du bist unglaublich, mein Freund.« Dann befestigte er die neue Leiter an dem Steg. Tore Ollén spendierte Ouzo und meinte, er schmecke wie Wodka mit Lakritz. Jannis fiel auf die Knie und formte seine Hand zu einer Schöpfkelle. »Tss«, flüsterte Theo, als er den Griechen die Promenade mit algengrünem Wasser taufen sah. »Néa Smýrni« , murmelte Jannis leise.
    ZWEI ARTEN VON SCHWEIGEN . Es gibt mindestens ebenso viele Arten von Schweigen, wie es Luftblasen in diesem Bauwerk gibt. Aus gegebenem Anlass folgen hier zwei.
    Die erste: Efi mit benutzten Tellern in der Hand, Kristallgläser am Rand festhaltend. Porzellan klappert, Flüssigkeiten verschiedener Art schwappen. »Jannis, weißt du, er hat Gedanken – die ganze Zeit Gedanken. Wie studieren, Stall bauen, kanalisieren, wenn er nach Hause kommt. Zum Beispiel. Andere Beispiele auch. Mücken, die ganze Zeit Mücken!« Lachend stellt sie das Geschirr auf die Spüle. Agneta sagt nichts. »Du weißt, dass er nicht in Schweden bleiben will? Er hat Pläne zu Hause. Zu Hause ist da, wo man ihn vermisst. Zu Hause ist da, wo man nicht ist Gastarbeiter. Aber das Militär macht, dass er extra lange hier bleiben muss. Es ist phantastisch, dass Doktor Florinos ihm kann helfen, sich so lange aufzuhalten.« Efi hält inne, sucht einen Weg, etwas zu formulieren, wofür Worte nicht gemacht zu sein scheinen. Sie streicht eine Haarsträhne hinter ihr Ohr zurück. »Jannis ich kenne mein ganzes Leben, weißt du. Wir sind Freunde zu Hause. Als Kind er niemals etwas sagt, aber ich sehe, was er denkt. Wir sind Freunde im Ernst. Nein, nicht Freunde so. Ihr auch seid Freunde im Ernst?« Sie dreht an einem der Gläser, sieht zum Fenster hinaus. »Oder ihr seid Freunde so?«
    Die zweite Art: Agneta mit einer ungewohnten Zigarette in der Hand, stumm.
    GESPRÄCH ÜBER TRAURIGKEIT . Der Ort: Neu-Smyrna. Die Zeit: kurz nach neun Uhr am Mittsommerabend. Das Wetter: ein klarer, aber sich verdunkelnder Himmel, Kriebelmücken. Personen: ein Grieche und zwei schwedische Jungs. Übrige Personen: woanders. Vielleicht fährt einer die Besucherin nach Bromölla, vielleicht bringt die andere gerade ein einjähriges Kind zu Bett. Der Grieche erzählt von seiner Großmutter und sagt, dass ihr Spatz sicher abenteuerlich werden würde, wenn sie diese Hafenpromenade sehen könnte. Im Transistorradio auf dem Tisch schildert ein dänischer Journalist die gelben Mauern und grünen Metalltore des Athener Averoff-Gefängnisses. Nach dem Bericht über den Besuch beim Oppositionsführer, der auf Druck ausländischer Regierungen eventuell freigelassen werden soll, schaltet der Grieche aus und steckt sich ein Streichholz in den Mund.
    EIN KIND: Warum kaust du immer auf Streichhölzern herum? Das sind doch keine Zahnstocher?
    EIN GRIECHE (mit halbvollem Glas in der Hand) : Helden rauchen nicht.
    EIN ANDERES KIND: Aber du trinkst. Tun Helden das denn?
    DER GLEICHE GRIECHE (mit leerem Glas in der Hand) : Manchmal Helden, sie sind nicht Helden, sondern nur traurig.
    ZAHNSTOCHER . Es folgt, warum nicht, ein Kapitel über Zahnstocher.
    Ein Zahnstocher ist ein kurzer Gegenstand, der meist an einem oder beiden Enden spitz

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