Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
Vom Netzwerk:
Leinenbands ab, der auf dem Fußboden lag. Auch das lautlos. Eine Katze, dachte sie, er bewegt sich wie eine Katze. »Ich wollte nur etwas fragen …« Agneta wurde unsicher. Jannis lauschte so geduldig, dass sie vergaß, was sie ihn eigentlich hatte fragen wollen. Die Sache lief gar nicht, wie sie sich das vorgestellt hatte. Sie zählte drei Vertiefungen in seinem Gesicht, weich und symmetrisch, aber irgendwie auch brutal. Selbst das, erkannte sie, gefiel ihr – und zwar mehr, als sie zugeben wollte. Sie sah auf den Stuhl und breitete die Hände aus. »Könntest du vielleicht … Ja, du weißt … Damit man sich setzen kann?«
    Lächelnd nahm der Grieche die Kleider und schaute sich um. Da er nicht wusste, wohin mit seinen Kleidungsstücken, deponierte er sie wieder auf dem Stuhl und patschte mit einer Hand auf die Bettcouch. »Sitz hier, Fräulein Agneta. Grieche nicht ein gefährliches Element.« Sie setzte sich auf die Bettkante, die Beine hielt sie ausgestreckt und zusammengepresst. Die Vorderkappen ihrer Schuhe glänzten. Gefährliches Element? Am besten sagte sie nichts. Als sie den Fußball unter dem Tisch entdeckte, konnte sie sich dann aber doch nicht zurückhalten. »Da ist er ja! Theo und ich haben wie verrückt nach ihm gesucht.« Jannis betrachtete den Ball, den er auf seine Laufrunde um den Sportplatz mitgenommen hatte. Er roch nach Mann. Sie spürte die stickige Wärme der Decke. Nach nichts anderem als nach Mann. »Wie verrückt?« Auch seine dumpfe Stimme machte seltsame Dinge mit ihr. »Ach, nichts.« Jetzt musste es gut sein, Berit würde sie auslachen. »Ich habe am Samstag Geburtstag. Ich werde zweiundzwanzig. Und möchte feiern. Sicher, auch mit den Kindern. Aber dann, am Abend … Im Volksgarten, weißt du …« Sie befand sich nur eine Armlänge von ihm entfernt. Ihre Finger berührten sich. Hatte sie zu viel Eau-de-Cologne genommen? »Also, wenn man sich an seinem Geburtstag wie eine Prinzessin fühlen will, braucht man einen Schweinehirten … Äh, einen Kavalier, meine ich.«
    Jetzt stieg Jannis der Duft in die Nase. 4711. Er entsann sich, wie seine Großmutter mit dem Stöpsel hinter ihre Ohren getupft hatte, als er ihr die Flasche aus der Apotheke in Neochóri überreichte, wodurch seine Gedanken in andere Bahnen als die beabsichtigten gelenkt wurden. Das konnte das Kindermädchen der Florinos naturgemäß nicht ahnen, aber als der Grieche aufstand, war ihr klar, dass sie die angestrebte Wirkung verfehlt hatte. »Bravo«, sagte er. »Wir machen Fest mit Kindern im Garten. Agneta, sie vielleicht auch lädt Herr und Frau Agneta? Zu Hause wir laden immer ein alle Leute. Sogar Hirten und andere Bauern.« Jannis lachte, weil er glaubte, die Anspielung verstanden zu haben. Er schob seine Füße in die Holzschuhe und ging die Treppe hoch. Das Kindermädchen fuhr mit dem Zeigefinger an der Unterseite ihrer Augen entlang, dann griff sie nach dem Ball. Ob Ingemar Nyberg vielleicht Lust hatte, sie zu begleiten?
    Das Fest wenige Tage später wurde ein voller Erfolg: riesige Sonne, makelloser Himmel, eine Veranda mit weißen Stühlen und ein Tisch mit Plastikdecke. Ein Kindermädchen und zwei Jungen in weißen Hemden. Ein Makedonier mit pomadisiertem Haar, ohne eine Andeutung von Bartstoppeln, auch er im weißen Hemd. Eine Torte mit Kerzen. Kaffee, Orangensaft, Cointreau. Geschenke. Auch von Stig und Aga Svensson, die sich auf ihren Stühlen nicht zu rühren wagten. Danach, sieben Uhr abends: ein hellblauer Volvo Amazon mit einem Elektriker am Lenker. Ein Makedonier, der Hände schüttelt und gleichzeitig unerwartete Verschiebungen in der Brust erlebt. Gespräch über Fahrstunden. Ein Makedonier, der die Tür hinter einem Kindermädchen zuschlägt. Ein Kindermädchen, das die Scheibe herunterkurbelt. Ein Makedonier, der »Bravo, Agneta!« ruft, als der Volvo auf die Straße rollt. Kies, der unter Reifen knirscht. Ein Makedonier, der plötzlich Abschied nimmt von weißen Hemden und seine schnarchende mána aufsucht. Ja, und ein makelloser Himmel. Aber das sagten wir ja schon. Halb acht an einem Juniabend 1967.
    Es ist zu spät für Erklärungen. Obwohl wir vielleicht erwähnen sollten, dass Jannis erst in diesem Moment begriff, was ein »Kavalier« war.
    TON ALÍTI . Am nächsten Morgen entdeckte Theo die Schubkarre am See, die Harke lag im Gras, die Stiefel spielten Hab acht, doch der Kellergast, der seinen Tag stets mit Harken begann, hatte sich in Luft aufgelöst. Während die Familie auf der

Weitere Kostenlose Bücher