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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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dieser Frau angenommen, um leichter Arbeit zu finden. Eleni hatte Mühe, alles zu verstehen, was Pavlos schrieb. Sein Wortschatz bestand zum Teil aus Fremdwörtern und trotz seines geschickten Umgangs mit Kamm und Schere mangelte es seinem Satzbau nicht an Schönheitsfehlern. Am meisten störte sie jedoch, dass Paul Giggs zu ihr wie zu einer Fremden sprach. Sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit: ein Wiedersehen, das wie ein Abschied war.
    Als Eleni die Lippen des Mädchens an ihrem Ohr kitzeln spürte, ahnte sie zum einen etwas Großes, zum anderen etwas Größeres. Auf Das Größere – das sie mit Versalien zu schreiben bevorzugte – bitten wir zurückkommen zu dürfen. Das Große trug den Nachnamen, den Efi ihr ins Ohr geflüstert hatte. »Wenn wir doch nur ein wenig öfter auf die jüngere Generation hören wollten«, erklärte Eleni zwei Wochen später, als sie und Despina einander umarmt hatten und der Junge mit der Hasenscharte, der mittlerweile ein Vater mit Hasenscharte war, erzählt hatte, wie er an einem ungewöhnlich heißen und ereignisreichen Septembertag in Smyrna zum Hafen geradelt war. Sein Bericht sollte Teil des Artikels werden, mit dem Eleni Vembas zur Enzyklopädie zurückkehrte.
    NATIONALE ERZIEHUNG . In den Monaten, die Jannis auf fünf oder sechs Jahre verteilt in der Schule verbrachte, gelang es ihm unter anderem, folgendes Wissen zu erwerben (wir legen es einem etwa Zwölfjährigen in den Mund):
    »Eins, zwei, drei, vier … So zählt man. Niemand braucht weiter als bis zehn zählen zu können. Danach wiederholt man einfach, was man getan hat, ein oder mehrere Male, allerdings mit anderen Namen für die Zahlen. Ein Haar wächst im Monat einen Zentimeter. Ein Jahr hat zwölf Monate. Also wächst jedes Haar pro Jahr zwölf Zentimeter. Wenn man sich die Haare schneiden lässt, subtrahiert man. Das Zeichen nennt man minus. Es sieht aus wie ein Haar. Wenn man das Gegenteil macht, legt man zwei oder mehr Haare überkreuz. Das nennt man dann Addition. Das Zeichen sieht anders aus. Nein, es ist nicht so ein Kreuz. Die Farbe des Himmels ist blau. Wenn die Farbe des Himmels nicht blau ist, dann sieht man nicht den Himmel, sondern die Wolken. Dann muss man die Wolken subtrahieren, damit der Himmel wieder sichtbar wird. Ist die Farbe schwarz und es ist nicht Nacht, muss man mehr als nur Wolken subtrahieren. Wissenschaftlich betrachtet funktioniert das so, dass Tropfen zur Erde fallen. Wenn sie lange genug gefallen sind, ist der Himmel nicht mehr schwarz, sondern grau. Dann reicht es, die Wolken zu subtrahieren, um ihn erneut blau werden zu lassen. Der Regen rinnt in die Erde, in die Blätter oder in den Bauch von Menschen. Wenn der Regen in die Erde rinnt, geht er verloren. Wenn der Regen in den Bauch von Menschen rinnt, verschwindet er in den Endungen, männlichen oder weiblichen. Aber wenn er in die Blätter rinnt, verdunstet er, und diese Dünste steigen auf. Dann weinen die Pflanzen, aber umgekehrt, aus Freude. Sieben ist übrigens eine schöne Zahl. Sie sieht aus wie eine Hacke. Die Woche hat sieben Tage. Das sind alle Finger einer Hand plus zwei. Jeder Tag ist auf die gleiche Art wichtig, so wie jeder Finger wichtig ist, wenn man die Erde umgraben will. Aber der Sonntag ist wichtiger als alle anderen. Er ist der Daumen unter den Tagen, denn an ihm ruhte Gott. Deshalb ruht man sich an diesem Tag von der Hacke aus. Unser König heißt Paul I ., Sohn von Konstantin I . und Sofia von Preußen. Er hat niemals eine Hacke in der Hand gehalten, ruht aber trotzdem nie. Schlaflosigkeit nennt man das. Unsere Königin heißt Frederika von Hannover. Sie kommt aus Deutschland. Sie ruht auch nie. Ehrgeiz nennt man das. Ihre Kinder heißen Sofia, Konstantin und Irene. Eines Tages wird Konstantin eins und eins zusammenzählen und Konstantin II . werden. Dann ist er unser König. Obwohl er nur ein Viertelgrieche ist, vielleicht noch weniger, zählt er als Vollgrieche. Die Geburt unserer Nation dauerte natürlich neun Jahre. Jedes Jahr war wie ein langer Monat. Unsere Nation hat acht Millionen Einwohner. Das sind viele, viele Male zehn Finger. Man könnte auch sagen: eine Myriade Male. Die meisten sind Vollgriechen. Griechenland hat sechzehn Millionen Einwohner, wenn man unsere Landsleute in der Sowjetunion, in Bulgarien, in der Tschechoslowakei, in Albanien, Deutschland, Schweden, in den USA , in Australien, Österreich, Kanada und einigen anderen Ländern mitzählt. Man muss die Landsleute in der

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