Der letzte Joker
schön?»
«Nein, scheußlich! Einfach entsetzlich. Lauter bresthafte alte Obersten, die in der Sonne herumschleichen, und eifrige, gebildete alte Jungfern, die Bibliotheken und Kirchen stürmen.»
«Nichts geht über England!», rief Bill. «Ich hasse Reisen – außer in die Schweiz. Die Schweiz ist in Ordnung. Ich habe schon daran gedacht, Weihnachten dort zu verbringen. Warum kommst du nicht einfach mit?»
«Ich überleg’s mir mal», erwiderte Bündel. «Was hast du in der letzten Zeit so gemacht?»
Das war eine unvorsichtige Frage. Bündel hatte sie nur aus Höflichkeit gestellt, als Einleitung zu ihrem eigentlichen Gesprächsthema. Es schien jedoch genau die Eröffnung zu sein, auf die Bill gewartet hatte. «Das wollte ich dir gerade erzählen. Du hast doch Köpfchen, Bündel, und ich brauche deinen Rat! Kennst du das Musical Damn your Eyes? »
«Ja.»
«Na, dann will ich dir mal von der größten Gemeinheit aller Zeiten berichten. Mein Gott! Diese Theaterleute… da gibt es ein Yankee-Mädchen – ein tolles Weib…»
Bündels Mut sank. Bills Geschichten über die Schwierigkeiten mit seinen Freundinnen waren immer unendlich – sie dauerten und dauerten. Er war einfach nicht zu bremsen.
«Dieses Mädchen – sie heißt Babe St. Maur…»
«Wie kommt sie denn zu dem Namen?», fragte Bündel spöttisch.
«Sie fand ihn im Who’s who. Hat das Buch aufgeschlagen und blind auf einen Namen getippt. Komisch, was? In Wirklichkeit heißt sie Goldschmidt oder Abrameier – ziemlich unmöglich.»
«Aha!»
«Also, Babe St. Maur ist wirklich nett. Sie ist eines der Mädchen, die die lebende Brücke bilden…»
«Bill», unterbrach Bündel ihn verzweifelt, «ich war gestern Vormittag bei Jimmy Thesiger.»
«Der gute alte Jimmy! Also, wie gesagt, Babe ist wirklich nett. Und so begabt – einfach märchenhaft! Sie hatte keine große Rolle…»
«Hast du Jimmy kürzlich gesehen?»
«Heute Morgen. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, ich bin noch nicht beim Krach. Weißt du, es war Eifersucht, pure Eifersucht. Die andere sah nicht im Entferntesten so gut aus wie Babe, und das wusste sie auch. Sie intrigierte hinter ihrem Rücken…»
Bündel fügte sich in das Unvermeidliche und ließ die ganze Geschichte von den unglücklichen Umständen, die zu Babes völligem Verschwinden von der Bühne geführt hatten, über sich ergehen. Als Bill schließlich Luft holte und auf ihren mitfühlenden Kommentar wartete, sagte Bündel: «Du hast ganz Recht, Bill, es ist eine Gemeinheit. Ihre Eifersucht muss ja ganz schön heftig gewesen sein…»
«Das ganze Theaterleben besteht nur daraus.»
«Vermutlich. – Übrigens, hat Jimmy etwas gesagt, ob er nächste Woche zu Lomax Party kommt?»
Zum ersten Mal hörte Bill zu. «Er hat mir ein Loch in den Bauch geredet, was ich Codders alles erzählen soll. Dass er sich für die Konservativen aufstellen lassen will und so was. Aber du weißt, Bündel, wie gefährlich das ist.»
«Unsinn! Wenn George ihm wirklich auf die Schliche kommt, wird er bestimmt nicht dich dafür verantwortlich machen. Du bist eben auf ihn reingefallen, das ist alles.»
«Das ist keineswegs alles. Es ist zu gefährlich für Jimmy selbst. Bevor er weiß, wie ihm geschieht, steht er irgendwo in der Provinz, küsst Babys ab und hält Wahlreden. Du hast keine Ahnung, wie gründlich Codders ist – und wie energisch!»
«Das müssen wir eben riskieren. Jimmy kann ganz gut auf sich selbst aufpassen.»
«Du kennst Codders nicht», wiederholte Bill warnend.
«Wer kommt denn alles? Ist etwas Besonderes los?»
«Nein. Mrs Macatta kommt zum Beispiel.»
«Das Parlamentsmitglied?»
«Ja. Die sich immer lang und breit über Wohlfahrt, keimfreie Milch und Rettung verwahrloster Kinder auslässt. Stell dir den armen Jimmy vor, wenn sie ihn erwischt!»
«Mach dir keine Sorgen um Jimmy. Weiter!»
«Dann noch irgendeine Ungarin, Gräfin Soundso, ein unaussprechlicher Name. Sie ist aber in Ordnung.» Er schluckte verlegen und zerkrümelte nervös sein Brot.
«Jung und hübsch?»
«Ja, ziemlich.»
«Ich wusste gar nicht, dass George etwas für weibliche Schönheit übrig hat.»
«Hat er auch nicht. Sie hat mit Säuglingsfütterung in Budapest zu tun, oder so ähnlich. Natürlich wollen sie und Mrs Macatta sich kennen lernen.»
«Wer noch?»
«Sir Stanley Digby…»
«Der Luftfahrtminister?»
«Ja. Und sein Sekretär, Terence O’Rourke. Ein toller Bursche übrigens, oder war es jedenfalls, als er noch flog.
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