Der letzte Joker
Dann noch ein ekelhafter deutscher Kerl. Eberhard heißt er. Ich weiß nicht, wer er ist, aber alle machen ein Mordstheater um ihn. Ich bin schon zweimal abgeordnet worden, mit ihm zum Essen zu gehen, und ich kann dir sagen, es war kein Vergnügen! Kein Vergleich mit den Leuten von der Botschaft, die eigentlich alle recht akzeptabel sind. Ich glaube, er ist Erfinder… Tja, das wären wohl alle. Und Sir Oswald Coote natürlich.»
«Und Lady Coote?»
«Ja, ich glaube, die kommt auch.»
Gedankenverloren saß Bündel ein paar Minuten da. Bills Aufzählung klang verheißungsvoll, aber sie konnte jetzt nicht alle Möglichkeiten überdenken. Sie musste zum nächsten Punkt kommen.
«Bill», begann sie, «was ist das für ein Wirbel um Seven Dials? »
Augenblicklich wurde Bill ziemlich verlegen. «Ich weiß nicht, was du meinst», sagte er.
«Unsinn, man hat mir erzählt, dass du informiert bist.»
«Worüber?»
Das war eine knifflige Frage. Bündel wechselte ihre Taktik. «Ich verstehe nicht, warum du so geheimnisvoll tust», beschwerte sie sich.
«Tu ich doch gar nicht! Es geht heute nur kein Mensch mehr hin. War mal Mode!»
Das klang verwirrend.
«Man ist gar nicht mehr auf dem Laufenden, wenn man länger im Ausland war», beklagte sie sich.
«Ach, da hast du nicht viel versäumt. Alle Leute gingen nur hin, um erzählen zu können, dass sie dort gewesen seien. Es war langweilig, wirklich, und, mein Gott, eines Tages hat man gebratenen Fisch einfach satt!»
«Wovon redest du eigentlich?»
«Vom Seven Dials Club natürlich.»
«Ich wusste nicht, dass er so heißt.»
« Seven Dials war früher mal eine Slumgegend in der Nähe der Tottenham Court Road. Alles wurde abgerissen und neu aufgebaut. Der Seven Dials Club hält noch die alte Tradition hoch: Bratfisch und Pommes frites. Schmuddeliger Laden, aber praktisch nach dem Theater.»
«Also ein Nachtklub mit Tanz und so weiter?»
«Genau. Schrecklich gemischtes Publikum. Nicht gerade fein. Künstler, weißt du, und alle möglichen merkwürdigen Damen, und ab und zu welche von unseren Leuten. Man erzählt sich da so einiges, aber ich glaube, das ist alles Unsinn, nur um die Bude interessant zu machen.»
«Schön», sagte Bündel. «Wir gehen heute Abend hin.»
«Nein, unmöglich!», protestierte Bill. Seine Verlegenheit war wieder da. «Ich sagte dir doch, es ist einfach ‹out›. Heute geht niemand mehr hin.»
«Wir schon.»
«Es würde dir bestimmt nicht gefallen!»
«Ich möchte wissen, was du dagegen hast. Was steckt dahinter?»
«Es ist eine lange Geschichte… weißt du, einmal habe ich Babe St. Maur mitgenommen…»
«Ach so! Schon wieder Babe St. Maur!»
«Warum nicht?»
«Ich wusste nicht, dass du wegen ihr…» Bündel unterdrückte ein Gähnen.
«Wie gesagt, ich nahm Babe mal mit. Sie hatte sich Hummer eingebildet… Ich trug also einen Hummer unter dem Arm…»
Die Geschichte ging weiter. Als der Hummer schließlich im Kampf zwischen Bill und einem anderen zerrissen worden war, passte Bündel wieder auf.
«Ich verstehe», sagte sie. «Es gab eine Rauferei?»
«Ja. Schließlich war es mein Hummer. Ich…»
«Ja, ja, sicher», stimmte Bündel hastig zu: «Aber heute ist das doch vergessen!»
«Wir könnten Schwierigkeiten mit der Polizei kriegen. Drüber ist ein Zimmer, wo sie Bakkarat spielen.»
«Dann kommt mein Vater und löst mich wieder aus!»
Bill zögerte zwar immer noch, aber Bündel hatte den größeren Dickschädel. Kurz darauf saßen sie in einem Taxi und fuhren Richtung Seven Dials Club.
Der Klub sah so aus, wie sie ihn sich vorgestellt hatte. Ein hohes Haus in einer schmalen Straße – Hunstanton Street vierzehn. Sie merkte sich die Nummer.
Ein Mann mit einem ihr bekannt vorkommenden Gesicht öffnete die Tür. Bündel bildete sich ein, dass er etwas zusammenzuckte, als er sie sah, aber dann begrüßte er Bill mit respektvollem Wiedererkennen. Er war ein großer Mann mit hellem Haar, einem weichlichen, blutleeren Gesicht und unruhigen Augen. Bündel fragte sich, wo sie ihn schon einmal gesehen hatte.
Bill hatte seine Fassung wieder gefunden und spielte den Kavalier. Sie tanzten im Keller, der völlig verraucht war, sodass man alles nur wie durch einen blauen Schleier sah. Der Geruch nach gebratenem Fisch war überwältigend.
An der Wand hing eine Reihe von Kohlezeichnungen, einige von beachtlicher Qualität. Das Publikum war äußerst gemischt. Stattliche Ausländer, wohlbeleibte Jüdinnen, flotte Herren und einige
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