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Der letzte Karpatenwolf

Der letzte Karpatenwolf

Titel: Der letzte Karpatenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eine dunkle Gestalt kletterte mühsam den Steilhang hinab. Bald war sie sichtbar … bald wurde sie durch tiefe Einschnitte oder Felsnasen verdeckt. Kleinhans entsicherte sein Gewehr.
    »Miliz ist es nicht«, sagte er. »Der Kerl trägt einen Pelz. Das haben die Bauern … oder die Partisanen.«
    »Oder es is a Spähtrupp … getarnt als Zivilisten …« Der Haindl Toni visierte die Gestalt an, die jetzt deutlich gegen den weißen Hang sich abhob. »I putz 'n weg – dann is Ruah!«
    Kleinhans drückte Haindls Lauf in den Schnee. »Abwarten! Vielleicht ist er nicht allein … willst du eine ganze Kompanie auf uns hetzen?! Laß den einen 'rankommen … er wird leise und ohne Aufsehen …« Er stockte und starrte wieder auf die Gestalt. Auch Haindl sah es, und die anderen auch.
    »Der hot ja'n Buckel!« sagte Haindl.
    »Das ist ein Sack«, sagte Michael leise. Dann sprang er plötzlich auf … Bornemann wollte ihn noch an den Füßen fassen und ihn herunterreißen. Aber er griff daneben in den Schnee. »Vera!« schrie Michael. »Vera!«
    Dann rannte er durch den Schnee der herabkletternden Gestalt entgegen. Einen Augenblick waren die anderen erstarrt, bis sie begriffen, was Michael bereits erkannt hatte. Da sprangen auch sie auf, warfen die Waffen in die Höhle und rannten Peters nach. Auch sie riefen durcheinander, alle Vorsicht vergessend, nur getrieben von ihrer Freude und einer Erlösung von einem dumpfen Schuldgefühl.
    »Vera!« schrien sie im Chor. »Vera! Bleib stehen … wir holen dich 'runter!«
    Haindl, der Bergbauer, war der erste, der Vera Mocanu erreichte. Er war wie eine Riesengemse hinaufgeklettert, mit sicherem Gespür, wo man die Füße aufstemmen und die Hände einkrallen konnte.
    Er erreichte Vera, als sie keuchend auf einem Vorsprung saß, den Sack auf dem Rücken, den gefühllos gewordenen linken Arm auf die Knie gelegt, mit flackernden Augen, vor denen in ihrem Blick sich die Felsen, das Tal, die vier heranrennenden Männer, der Schnee und der Himmel mit der leuchtenden Sonne in sich drehenden bunten Kreisen auflösten und dann schließlich farblos wurden, grau, schwärzlich und unsichtbar.
    Gestützt von Michael und Bornemann kletterte Haindl mit der ohnmächtigen Vera den Steilhang hinab. Es war ein mühsamer Abstieg, ohne Seil, ohne Sicherungen, nur auf das Tastgefühl der Füße angewiesen. Den Sack hatten sie dem am Fuße des Steilhanges wartenden Kleinhans zugeworfen. Er konnte nicht am Felsen helfen. Er war nicht schwindelfrei und wäre schon nach wenigen Metern abgestürzt.
    »Sie ist verwundet!« schrie Haindl zu ihm hinab.
    Kleinhans biß sich auf die Unterlippe. »Schwer?« rief er zurück.
    »Am Arm!«
    »Zertrümmert?!«
    »Dös seh i net!«
    Michael hatte beim Abstieg Veras Schulter untergefaßt. Er kletterte mit zitternden Beinen. Noch nie hatte er, der Bauernbursche aus dem Münsterland, an einem Felsen gehangen. Schwindelfrei war er, denn er hatte als Junge schon den Dachdeckern im Dorf geholfen und war auf hohe Bäume geklettert. Er vermied es, hinabzusehen, und starrte nur hinauf zu dem Körper Veras und den dicken Beinen Haindls, der am Berg klebte, als sei er ein Stück von ihm.
    Michaels Fuß brannte wieder. Die Salbe des alten Doktors war fast verbraucht. Die Verbände waren nur noch armselige Fetzen … sie waren immer wieder gewaschen, getrocknet und dann wieder gebraucht worden. Schließlich zerfielen sie wie Zunder im strömenden Gebirgsbach, und Michael wickelte wieder Lappen um die eiternden Füße.
    Es dauerte eine halbe Stunde, bis Vera in die Höhle getragen wurde. Kleinhans, der einmal östlich des Prut bei den Rückzugskämpfen als Hilfssanitäter gearbeitet hatte, untersuchte die Schußwunde. Er war sehr bedrückt, als er den Pelz wieder über Veras nackte Schulter schob.
    »Schlimm?« fragte Haindl. Er aß das größte Stück des gebratenen Fleisches. Schließlich hatte er die Hauptarbeit beim Abstieg gehabt. »Muaß er weg?«
    »Die Kugel sitzt noch im Arm. Sie muß 'raus … sonst eitert die Wunde, es gibt Wundbrand … und dann … dann …«
    Er sprach nicht weiter, aber jeder wußte, was er dachte. Der Schrecken des Sterbens war wieder mitten unter ihnen … und es war kein Gedanke mehr, sondern sie sahen ihn vor sich, sie konnten ihn anfassen, und er war so lächerlich klein … ein runder, blutverharschter Fleck … ein roter Kreis auf einem weißen Oberarm. So harmlos kann der Tod aussehen. So schrecklich banal.
    Kleinhans starrte auf das leicht

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