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Der letzte Karpatenwolf

Der letzte Karpatenwolf

Titel: Der letzte Karpatenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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glimmende Feuer mit der darüber glühenden Platte. Er sah das Kochgeschirr, in dem das Teewasser brodelte … sein Blick glitt hinüber zu den Gewehren und den Beuteln mit dem Reinigungsgerät. Dort lagen Drähte, zwei Rollen mit Zwirn, einige Messer …
    Er schluckte, als würge ihn jemand. Als er zurück zu den stummen Kameraden blickte, war sein Gesicht bleich und wie eingefallen. Nur die Augen flackerten.
    »Legt Holz aufs Feuer«, sagte er heiser. Michael ballte die Hände zu Fäusten.
    »Was … was willst du tun …«, flüsterte er.
    »Leg Holz unter!«
    »Das kannst du doch nicht, Willi«, stotterte Michael. »Du bist doch kein Arzt …«
    »Soll sie an Wundbrand sterben?!«
    Bornemann erhob sich stumm und schob ein paar trockene Scheite unter die Ofenplatte. Er blies in die Glut und wartete, bis die ersten Flammen emporzüngelten. Dann wandte er sich um.
    Kleinhans hatte die Schulter und den linken Arm Veras wieder entblößt. Er tastete mit dem Finger über die Wunde. Dann nahm er aus der Tasche ein kurzes, aber gut geschliffenes Messer und reichte es Bornemann hin.
    »Koch es aus, Hans.«
    »Und dann?« fragte Haindl.
    »Ich schneid' die Kugel 'raus …«
    »Dann verblutet sie …«, stöhnte Michael.
    »Ich werde die Wunde mit einem glühenden Draht ausbrennen!«
    »Du bist wahnsinnig!« rief Bornemann. Er wollte das Kochgeschirr mit dem kochenden Wasser, in das er das Messer geworfen hatte, von der glühenden Platte reißen und in den Schnee schütten, aber Kleinhans hielt seinen Arm fest.
    »Es ist die einzige Möglichkeit. Seid doch vernünftig. Wenn die Kugel noch einen Tag im Arm bleibt, ist es zu spät. Der Schuß ist durch den Sack und den Pelz gegangen. Die Kugel hat Stoffetzen und Haare mitgenommen. Wißt ihr, was das bedeutet? Schmutz in einer Wunde?! Das kann einen Starrkrampf geben, wenn man kein Tetanusserum hat. Und haben wir Tetanus?!«
    Die anderen schwiegen. Sie sahen auf das bleiche, plötzlich so spitze Gesicht Vera Mocanus. Bornemann stellte das Kochgeschirr wieder auf den Ofen zurück.
    Aus dem Beutel mit dem Gewehrreinigungsgerät suchte Kleinhans einige dünne Drähte und die beiden Zwirnrollen heraus. Auch eine Nadel fand er … eine dicke Nadel, mit der sie ihre Strümpfe stopften.
    »Sie wacht auf«, sagte Haindl heiser. Sein Hals war trocken. Kleinhans fuhr herum. Das Erwachen Veras aus ihrer tiefen Ohnmacht war zu früh. Jetzt hieß es, sie wieder für den Eingriff zu betäuben.
    Alle dachten sie plötzlich das gleiche und starrten zu Kleinhans empor, der Zwirn von der Rolle abspulte und auch in das kochende Wasser warf.
    »Haindl muß sie betäuben«, sagte er rauh.
    Der Bergbauer fuhr hoch. »I?!« rief er entsetzt.
    »Schlag sie auf den Kopf, Toni.«
    »I? Na! Na!« Haindl sprang auf. Er zitterte am ganzen Körper. Er starrte in die noch abwesenden Augen Veras. »I soll sie …« Es war fast, als beginne er zu weinen. »Warum grad i?!«
    »Mach schnell!« Kleinhans nahm mit einer Zange das heiße Messer aus dem kochenden Wasser. Bornemann und Michael Peters hielten Vera Mocanu fest … sie drückten ihr die Schultern auf den Boden. Bornemann saß auf ihren Beinen, damit sie nicht um sich treten konnte. Haindl fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. »I kann's doch net!« schrie er verzweifelt.
    »Schnell!« brüllte ihn da Kleinhans an. Da bückte er sich, sah zur Seite und schlug mit der Faust gegen den Kopf Veras. Sie ächzte, wie ein abgesägter Baum, ehe er umfällt … dann streckte sich der Körper. Sie spürte keine Schmerzen mehr. Haindl aber rannte aus der Höhle und lehnte sich draußen zitternd an den verschneiten Felsen.
    Als er den Geruch verbrannten Fleisches einatmete, flüchtete er weiter in den Wald hinein.
    Für Stepan Mormeth kamen schlechte Zeiten.
    Seinem persönlichen Versagen schrieb man den Fehlschlag der Streife zu.
    »Du bist ein räudiger Hund!« hatte ihn der Unteroffizier angeschrien, als nach vier Stunden vergeblicher Jagd und Spurensuche die Patrouille wieder im Wachlokal von Tanescu zusammensaß, müde, niedergeschlagen, durchnäßt. »Was soll ich jetzt an den Genossen Kapitän nach Bacau melden, he?! Daß ein Zigeunerlümmel mit der Spionin und Partisanin poussiert und dabei alles vergißt, was er gelernt hat?! Wo bleibt die kommunistische Festigkeit?! Haben wir dich deshalb aus dem Dreck gezogen, damit du Rindvieh vor einem Frauenrock gleich in die Knie gehst?! Man sollte dich aufhängen, du Mißgeburt!«
    Das Schimpfen half nichts.

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