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Der letzte Karpatenwolf

Der letzte Karpatenwolf

Titel: Der letzte Karpatenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erloschenen Feuers. Die dicken, jetzt noch glimmenden Stämme strömten unter der Zeltplanabdeckung eine intensive Wärme aus. Hier gab es keinen Schnee mehr … die Steine waren warm und trocken.
    Neculae Tripadus schlief in seiner großen Wohnhöhle. Die Offiziere waren auf Wache oder schliefen ebenfalls bei ihren Gruppen. Um die Schlucht und über die umgebenden Felsen zog sich eine Linie von Wachen, die den Kessel, in dem das Lager eingerichtet worden war, von der Außenwelt abriegelte. Weit vorgeschobene Posten kontrollierten alle Wege, die von den Dörfern in die Berge führten. Über Funksprechgeräte waren sie mit dem wachhabenden Offizier und mit Major Tripadus selbst verbunden. Es gab keinen Fuchs, der in die Nähe des Lagers kam und nicht gesehen wurde.
    Spät, es mochte schon drei Uhr morgens sein, kam Vera Mocanu zu dem wartenden Michael.
    »Du mußt wieder zurück nach Norden«, flüsterte sie, als sie neben ihm lag. »Von hier aus gehst du erst nach Osten. Man wird dich nie dort suchen, denn keiner läuft den Russen entgegen. Alle werden denken, du seist nach Westen geflüchtet, um doch noch nach Deutschland zu kommen …«
    »Das will ich auch …«
    »Die Sowjets stehen an Ungarns Grenze. Wie willst du da noch zu deinen Kameraden kommen? Warte hier, bis der Krieg zu Ende ist. Verstecke dich irgendwo, geh zu einem Schäfer, arbeite heimlich bei den Bauern … sie werden dich nie verraten! Und warte ab … du bist noch so jung. Für dich arbeitet die Zeit. Du mußt die Kraft haben, zu warten. Und wenn es Jahre sind …«
    »Jahre …?« sagte Michael leise. Ein Schauer durchlief ihn. »Warum soll ich denn heute nacht flüchten? Ich denke, deine Legionäre sind unsere Freunde?«
    Vera Mocanu schwieg. Sie beobachtete die weitab um das Lager pendelnden Wachen und die Höhlen, in denen die Partisanen zusammengerollt wie Riesenbären schliefen.
    »Sie sind es. Aber über alle Freundschaft geht bei ihnen der Kampf gegen die Sowjets und ein freies Rumänien. Dafür opfern sie alles … die Freiheit, das eigene Leben – und dich.«
    »Mich?«
    »Sie wollen dich morgen in das Tal schicken. Dort sollst du die sowjetischen Wachen im Dorf auf dich ziehen. Und während du vor ihnen flüchtest und sie dich verfolgen, werden sie das russische Lager überfallen … Dort liegt Munition, dort liegen modernste Waffen, dort ist ein großes Verpflegungsdepot … Verstehst du das, Mihai?! Damit sie weiterleben und weiterkämpfen können, sollst du geopfert werden. Das ist für Tripadus eine Selbstverständlichkeit. Ihre Moral ist eine andere als die bürgerliche. Für eine große Sache zu sterben – oder gestorben zu werden … das ist gerecht in ihren Augen.«
    Michael Peters wischte sich über seine Augen. Sie brannten. Der Rauch des verlöschenden Feuers zog beißend unter der Zeltplane hervor und kroch über die Felswände, ehe er sich in einiger Höhe mit der freieren Luft des Talkessels vermischte und im Nachthimmel aufging.
    »Ich begreife das alles nicht«, sagte Michael leise.
    »Du sollst es auch nicht. Nur flüchten sollst du. Mußt du! Ich begleite dich, bis du außer Gefahr bist.«
    »Und wenn Tripadus erfährt, daß du …«
    »Er wird schweigen.«
    »Weil du ihm gefällst und weil du mit ihm …« Michael sprach nicht weiter. Er merkte plötzlich, daß es ihm nicht gleichgültig war, was mit Vera geschah. Selbst in der Gefahr, die er spürte und von der er wußte, daß sie mit dem Morgengrauen greifbar wurde, wurde es ihm schwer, fast unmöglich, Vera zurückzulassen und allein in die Wildnis der Ostkarpaten zu flüchten. »Komm mit!« bat er und ergriff Veras Hand. »Was willst du hier bei diesen Männern? Es sind Phantasten!«
    »Ihr Glaube an ein freies Rumänien ist das einzige, was uns geblieben ist.«
    »Sie leben wie die Wölfe …«
    »Du wirst auch so leben, Mihai. Und wie sie wirst du jeden, der dich aufhalten will, das ersehnte Ziel zu erreichen, kalt und mitleidlos töten, um dich selbst zu retten. Das ist grausam, ich weiß es. Und Gott muß sein Haupt verhüllen, um alle diese Greuel nicht zu sehen und zu hören. Der Krieg macht aus den Menschen Geschöpfe, für die es noch keinen Namen gibt. Denn kein Tier – kein Wolf, kein Tiger, kein Raubvogel – ist so grausam und mitleidlos wie der Mensch, wenn man ihm sagt, daß Töten seine Pflicht ist und seine Meisterschaft im Morden belohnt wird mit blitzenden Orden und Titeln.«
    Vera richtete sich auf. Die Ablösung der Außenwachen marschierte

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