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Der letzte Karpatenwolf

Der letzte Karpatenwolf

Titel: Der letzte Karpatenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ist erschossen worden!«
    »Turiatce war mein Chef! Ich konnte flüchten. Ich wollte zu euch! Wer ist euer Chef?«
    »Wartet, wo ihr steht! Wenn ihr euch rührt, schießen wir!«
    Sie standen eine halbe Stunde lang im Schnee, die Hände in den Nacken gelegt. Der Morgen dämmerte fahl herauf … ein schwerer, grauer Himmel versprach neuen, vielen Schnee.
    Neculae Tripadus beriet sich unterdessen mit seinen Offizieren. Er hatte den Rang eines Majors, aber die Fellmütze und der zottelige Pelzmantel gaben ihm das Aussehen eines wilden Bergräubers. Um ihn herum lagen oder saßen um ein großes Lagerfeuer die anderen Legionäre. Um den Feuerschein nicht zu weit in den Himmel blenden zu lassen und die Sowjetstreifen anzulocken, hatten sie dicke Steine um und über das Feuer geschichtet und in einer Höhe von drei Meter eine große Zeltplane gespannt. So wurde der Schein zum Himmel abgehalten, und die heißen Steine unter der Zeltplane strömten eine solche Wärme in die Nacht und über die liegenden Männer, daß ihnen der Schweiß über die Stirnen und Rücken rann.
    »Ein Mädchen vom Geheimdienst und ein deutscher Soldat«, sagte Tripadus sinnend. »Beides können wir nicht gebrauchen! Man sollte sie einfach erschießen … das ist die schnellste und beste Lösung.«
    »Man könnte sie auch behalten, Major«, meinte ein junger Leutnant. »Wie wär' es, wenn wir sie als Lockvogel benutzten?! Mit ihnen locken wir die Sowjets ab … und während sie den Deutschen verfolgen, überfallen wir ihr Lager.«
    »Es ist zu überlegen.« Neculae Tripadus erhob sich. Er war ein großer, kräftiger Mann, ein Bär gewissermaßen, der einem die Rippen zerbrechen konnte, wenn er einen umarmte. »Laßt sie kommen«, kommandierte er. »Aber führt sie von der Seite her. Sie brauchen unser Waffenlager nicht zu sehen. Wer wenig sieht, kann auch wenig verraten.«
    So kamen Vera und Michael ins Lager … in das große, von Vera ersehnte Lager der ›Grünhemden‹, von der die Freiheit Rumäniens ausgehen sollte wie ein feuriger Sturm, der das Land von den Roten säuberte.
    Die Begegnung zwischen Tripadus und Vera war kurz, aber schicksalhaft. Sie standen sich gegenüber, sie sahen sich stumm an, mit großen, bewundernden Augen, dann gaben sie sich die Hand und fühlten jeder, daß dieser Händedruck ein Beginn von etwas war, was sie noch nicht aussprechen konnten und wollten und dessen Ende nicht absehbar war.
    »Ihr könnt hierbleiben«, sagte Tripadus. Er hatte eine tiefe Stimme und nahm, während er sprach, die hohe Fellmütze von Veras Kopf. Den jungen deutschen Soldaten beachtete er gar nicht. Veras kurze Haare über dem schönen, von der Kälte geröteten Gesicht waren in den Wochen struppiger geworden, sie waren gewachsen und hingen bis in den Nacken hinein, leicht gekräuselt, mit Eiskristallen durchsetzt, als lägen Brillantsplitter zwischen den Locken.
    »Du warst bei Turiatce?« sagte Tripadus. »Ich habe dich nie dort gesehen.«
    »Ich saß im Hinterzimmer und schrieb, was die Besucher sagten. Ich hörte alles … wir hatten ein Mikrophon unter den Stühlen eingebaut …«
    Neculae Tripadus nickte. »Du bist zu schön und zu klug, um dem Krieg geopfert zu werden. Bei uns bist du in guten Händen …«
    »Bei uns – oder bei dir?« fragte Vera leise. Ihre Stimme zitterte plötzlich. Tripadus kniff die Augen zusammen. Er lächelte breit und kraftvoll.
    »Uns – das bin ich!« sagte er stolz.
    Und Vera wußte, daß es so war.
    »Wer ist der Soldat?« fragte Neculae. Er sah zu Michael hinüber, der am Feuer stand und sich aufwärmte. Er sah schmal aus, trotz seiner Pelzjacke und der hohen Hirtenmütze. Seine Knie zitterten. Er spürte die Schmerzen der Füße bis unter die Haarwurzeln und hatte Sehnsucht nach einem kühlen Wasser, in das er die brennenden Zehen und Ballen halten konnte.
    »Er ist der letzte Soldat, der glaubt, in die Heimat durchzubrechen.«
    »Ein Idiot, was?«
    »Nein. Ein großer Junge –«
    »Ach. Du liebst ihn wohl?« Tripadus zog die buschigen Brauen hoch. Vera sah ihn erschrocken an. So hatte sie noch keiner gefragt … selbst sie nicht, nachdem sie bei der kurzen Begegnung mit Sonja gespürt hatte, daß es ihr unangenehm war, wenn ein anderes Mädchen an Michael dachte. Die Grüße Sonjas hatte sie natürlich nicht ausgerichtet. Warum auch? Es war anzunehmen, daß Michael damals gar nicht Sonja beachtet hatte – und wenn, dann war es besser, ihn diese Erinnerung vergessen zu lassen.
    »Nein!« sagte Vera

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