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Der letzte Karpatenwolf

Der letzte Karpatenwolf

Titel: Der letzte Karpatenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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absuchten.
    Einmal, in der achtzehnten Nacht – sie lagen in einer flachen Höhle, in die sie hineinkriechen mußten –, hörten sie fernes Gewehrfeuer, durchsetzt mit Maschinengewehrgeknatter. Aber es war nicht das langsame tack-tack-tack der russischen MGs, sondern das rasende Rrrrrrr-Rrrrrrr des deutschen MGs-42.
    »Deutsche!« sagte Michael. Er hatte den Kopf gehoben und auf die Schulter der auf der Seite liegenden Vera gestützt. »Hörst du – das sind unsere Maschinengewehre …«
    »Es können auch die Legionäre sein. Sie haben alle deutsche Waffen!«
    »Und warum kämpfen sie? Was wollen sie?«
    »Sie wollen Rumänien von den Russen befreien.«
    »Es müssen Phantasten sein. Wie können sie glauben, Rußland zu schlagen, wo wir an ihm zerbrochen sind?«
    »Nur weil sie daran glauben, werden sie es schaffen!« sagte Vera Mocanu. Ihr Gesicht glühte plötzlich, und ihre Augen leuchteten.
    »Du glaubst es ja auch«, sagte Michael Peters entsetzt.
    »Darum gehen wir auch zu ihnen! Bei den Legionären ist die Zukunft Rumäniens!«
    »Habt ihr denn aus diesem Krieg nichts gelernt? Gar nichts?!«
    Sie schwiegen einen Augenblick. Das Maschinengewehrfeuer verstärkte sich. Es schien näher zu kommen. »Euer König hat die Russen ins Land geholt … und hier bleiben sie jetzt. Für immer.«
    »Nie! Sie kennen die Rumänen nicht. Wir leben und sterben für unsere Heimat!« Vera setzte sich. Sie mußte den Kopf senken, so niedrig war die Höhle. »Wir werden sie samt dem König wegjagen. Es gibt nur ein freies Rumänien!«
    Michael schwieg. Er wußte zuwenig, was in der Welt geschah.
    Als er von seinem Dorf wegging in den Krieg, hatte er nicht mehr kennengelernt als Feldarbeit, Rübenziehen, Säen und Pferdezucht. Was draußen, außerhalb des Dorfes, vor sich ging, das interessierte ihn nicht. Und Krieg? Was wußte er, was Krieg ist? In der Schule hatte der Lehrer von vielen Kriegen erzählt … von tapferen deutschen Soldaten, den besten der Welt, wie er sie nannte, und dann hatten sie Lieder gesungen, in strammer Haltung zwischen den engen Bänken stehend. Lieder von Heldentum und Heldentod, von der Fahne, die mehr wert war als der Tod, von morschen Knochen, die zu zittern begannen, wenn sie an den Krieg dachten … denn der richtige deutsche Mann, der Erbe der Germanen, zittert nicht. Der Krieg ist für ihn Lebensinhalt. So sagte damals der Lehrer. Und die braven Bauernburschen glaubten es, denn was der Herr Lehrer sagte, mußte wahr sein. Dafür war er ja Lehrer.
    Ein paar Jahre später kam der Krieg. Der Lehrer wurde nicht wehrdienstfähig, denn er hatte es auf der Lunge … aber die jungen Bauernburschen kamen in die ›große Stunde der Nation‹, und sie fielen … in Polen, in Frankreich, auf Kreta, in Afrika, in Stalingrad, am Wolchow, am Peipussee – und am Prut, an Rumäniens Grenze.
    Als sie fielen, als die Granaten und Stalinorgeln sie zerfetzten, da dachten sie nicht mehr an den Lehrer und an das, was sie gelernt hatten vom herrlichen Krieg … sie schrien, sie verbluteten, sie beteten …
    Das MG-Feuer hatte sich wieder entfernt. Schließlich hörte es ganz auf. Vera Mocanu legte sich auf den Pelz zurück.
    »Morgen werden wir auf die Kameraden treffen«, sagte sie und drückte sich wärmend an Michael. »Du wirst sehen, was für herrliche Burschen es sind.«
    »Mir gefällt nicht, daß sie morden«, sagte Michael bitter.
    »Morden!« Vera dehnte sich und legte den Arm um Michaels Leib. »Ein Volk ist noch nie durch Schlagsahne-Essen befreit worden.«
    Neculae Tripadus war durchaus nicht so glücklich wie Vera Mocanu, als eine Wache die beiden Herumirrenden in das Lager der ›Legionäre‹ brachte.
    Es hätte nicht viel gefehlt, daß Michael und Vera erschossen worden wären. Sie hatten den Klang der MGs noch im Ohr, als sie im frühen Morgen, noch in der Dunkelheit, durch die unwegsamen Schluchten kletterten. Nur daß eine Frau vorausging, hatte die Posten abgehalten, ohne Anruf zu schießen, wie es ihre Instruktion befahl. So machten sie diesesmal eine Ausnahme und riefen:
    »Halt! Stehenbleiben! Nehmt die Hände hoch!«
    »Wir sind Freunde!« schrie Vera in die Richtung, aus der der Befehl gekommen war. Sie sah nichts … aber sie wußte, daß die Gewehre auf sie gerichtet waren und die Zeigefinger am Abzugshebel lagen.
    »Es gibt keine Freunde!« rief die Stimme. »Was wollt ihr?«
    »Zu euch! Ich bin Vera Mocanu. Vom 2. Büro des Geheimdienstes!«
    »Lüge! Von denen lebt keiner mehr! Turiatce

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