Der letzte Krieger: Roman
kurzbeiniger. Lange, nur spärlich mit Borsten bewachsene Schwänze und spitze Schnauzen hatten ihnen den Namen hulrat , Höhlenratten, eingetragen. Ein Blick auf ihre nadelspitzen Zähne verriet jedoch, dass sie keine Nager waren und sich von allem ernährten, das nicht schnell genug davonlief. Ihr Anblick erinnerte Hrodomar stets an das einzige Mal, dass er seine Schwester hatte weinen sehen hatte. Ein anderes Mädchen hatte sie hässlich wie eine hulrat genannt. Angesichts des schütteren Fells, das aussah wie von Motten zerfressen, gab es keine schlimmere Beleidigung.
Als die Wächter Vindur und ihn bemerkten, hielten sie inne. Insgeheim wand sich Hrodomar unter den Blicken, die ihn abschätzend musterten, doch er bemühte sich, zuversichtlich und unbeeindruckt auszusehen.
Skorold nickte ihm freundlich zu, bevor er sich mit gerunzelten Brauen an Vindur wandte. »Was hat dieser Auftritt zu bedeuten, Herr Vindur? Hat der König dir nicht ausdrücklich verboten, Herrn Hrodomar zu begleiten?«
Die anderen Wächter, allesamt älter als Hrodomar und sehr viel kräftiger gebaut als Vindur, rückten neugierig näher. Der größte und grimmigste unter ihnen trat an Skorolds Seite. In seinem flammend roten Bart trug er beinahe so viele Stachelkugeln wie der Oberste Wächter der Tiefen, und das Heft eines fast mannshohen Kriegshammers ruhte in seiner Hand.
Vindur straffte unter seinem schweren Gepäck sichtbar die Schultern. »Als mein Vater das sagte, wusste er noch nicht, dass Herr Hrodomar und ich Schildbrüder sind.« Rathgar wusste es immer noch nicht, doch sie würden es Skorold überlassen müssen, das herauszufinden.
»Schildbrüder?«, wiederholte der Oberste Wächter erstaunt. »Ihr?«
»Was soll daran so seltsam sein?«, fuhr Hrodomar auf. Immer hackten alle auf Vindurs vermeintlicher Schwäche herum. »Seit Kindertagen sind wir wie Brüder, und ich wüsste keinen treueren Freund, um ihm mein Leben anzuvertrauen.«
Der rotbärtige Wächter grinste. »Dann bist du noch heldenmutiger, als man sich in den Schänken erzählt.«
Wütend wandte sich Hrodomar ihm zu. »Ach ja? Und warum?« Wächter oder nicht – wenn der Kerl es wagte, Vindur offen zu beleidigen, würde er ihm eine aufs Maul geben.
»Klappe halten, Hauptmann!«, mischte sich Skorold ein, bevor der Rotbärtige antworten konnte. »Ich bin hier noch nicht fertig.«
»Man wird ja wohl noch einen Scherz machen dürfen.«
»Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Geht zusammen einen trinken, wenn ihr zurückgekommen seid«, sagte Skorold, bevor er sich wieder an Vindur wandte. Ihm war deutlich anzusehen, wie sehr es ihm gegen den Strich ging, gegen Rathgars erklärten Willen zu handeln. »Wenn der König erfährt, dass ich dich nicht aufgehalten habe, werde ich deinen Eigensinn ausbaden müssen.«
»Für die Ungerechtigkeiten meines Vaters kann ich nichts«, wehrte Vindur ab. »Ich bin ein erwachsener Mann und kann gehen, wohin ich will.«
Skorolds Kiefer mahlten, dass seine Barttracht über den Harnisch kratzte. »Das ist wohl wahr. Aber ich …«
Zornig hielt ihm Vindur den Zeigefinger vors Gesicht, dessen Kuppe noch der Schnitt ihres Eids zierte. »Sag ihm, dass ich Hrodomars Schildbruder bin, und er wird es ebenso hinnehmen müssen wie du!«
Als müssten sie ihre Worte beweisen, drehte Hrodomar seinen Schild, damit Skorold Vindurs blutige Rune darauf sehen konnte.
»Ja, verdammt«, knurrte der Oberste Wächter. »Ich hab’s verstanden.«
»Baumeisters Bart!«, ließ sich der Hauptmann vernehmen. »Ihr habt das also gerade erst gemacht, um dem König eins auszuwischen.«
Einige Wächter lachten und grinsten anerkennend. Im Gegensatz zu Skorold würden sie Rathgars Zorn auch nicht zu spüren bekommen.
»Wir haben es natürlich nicht getan, um dem König eins auszuwischen, sondern weil wir es mit dem Eid ernst meinen«, betonte Hrodomar rasch, um sein schlechtes Gewissen gegenüber dem Obersten Wächter zu beruhigen.
»Wie du meinst«, gab der Rotbärtige achselzuckend zurück.
»Herr Hrodomar, das ist Hauptmann Gunthigis«, stellte Skorold ihn vor. »Er führt die Patrouille an, die dich … euch begleitet.«
»Aha.« Mehr brachte Hrodomar vor Enttäuschung nicht heraus. Hatte Rathgar nicht ihm den Befehl über die Expedition übertragen? Aber er hatte ja von Anfang an daran gezweifelt, ob die Wächter das hinnehmen würden. Gunthigis Gesicht verdüsterte sich. Mist! Jetzt hatte er den Hauptmann schon wieder verärgert. »Ähm,
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