Der letzte Krieger: Roman
ob es ihr gefiel oder nicht.
»Werdet Ihr mich jetzt wie einen alten Mann nach Hause schicken, Kommandantin ?«, fragte Davaron säuerlich.
»Nein. Ich brauche jemanden, der dafür sorgt, dass dieser Aufschneider meine Befehle auch dann ausführt, wenn ich nicht hier bin.«
»Wir werden fliegen«, kreischte eine der Harpyien. »Fliegen!«
Wenn dieser Imeron ihnen auch die schrillen Stimmen gegeben hatte, war eine Verbannung an den Nachthimmel kaum Strafe genug. Angesichts ihres Keifens und Schreiens musste Athanor die Zähne zusammenbeißen, um sich nicht die Ohren zuzuhalten. Jeden Abend bei Sonnenuntergang versammelten sie sich auf dem zerfallenen Wehrgang Uthariels, an dem es kaum noch Zinnen gab. Davaron hielt sich im Hintergrund, aber doch in Hörweite, um zu beaufsichtigen, wie Athanor den Chimären zum ersten Mal Mahaleas Befehle überbrachte.
Ob die Harpyien wirklich alles verstanden hatten, was er ihnen gesagt hatte, vermochte Athanor nicht einzuschätzen. An ihren Ausrufen merkte er zwar, dass ihm zumindest einige zugehört hatten, aber davon abgesehen kreischten sie einfach durcheinander und schienen sehr aufgeregt darüber, den neuen Kommandanten vor sich zu haben. Er richtete sich auf, um würdevoller auszusehen, als er sich fühlte. »Ich erwarte euren Bericht morgen Abend.«
»Bericht!«
»Spähen!«
»Fliegen!«
Wie ein Schwarm geschwätziger Krähen flatterten sie auf und stoben davon. Vereinzelte Federn schwebten zu Boden. Die Stille erleichterte Athanor mehr, als hätte er gerade einen Kampf gegen Rokkur bestanden.
»Steht sonst noch etwas an, wobei du mich bespitzeln musst?«, wandte er sich an Davaron. »Vielleicht möchtest du mir auch noch beim Pissen zusehen.«
»Zu großzügig. Ich würde sagen, dass ich meiner Pflicht heute mehr als Genüge getan habe. Wir sehen uns morgen früh wieder – leider.« Damit drehte er sich um und stieg die Stufen zum Innenhof hinab.
»Sei dankbar, dass sie Krüppeln das Gefühl geben will, noch nützlich zu sein«, rief Athanor ihm nach. Meinetwegen kann sie dich zum Dunklen jagen.
Hinter ihm klickte Horn auf Stein. Überrascht sah er sich um. Eine Harpyie hockte noch auf dem Wehrgang und sah mit vogelhaft schief gelegtem Kopf zu ihm auf. Trotz der enormen Spannweite ihrer Schwingen und ihren nahezu menschengroßen Köpfen reichten ihm die Chimären nur bis zur Brust.
»Du ’agst ihn nicht«, krächzte sie. Sie gehörte zu den Harpyien, in deren Gesicht ein Adlerschnabel prangte, was ihre Menschenaugen unnatürlich weit auseinanderstehen ließ. »Ich auch nicht.«
»Davaron? Den kann vermutlich niemand leiden.«
»Du ’ist der Ko’andant. ’aru’ schickst du ihn nicht ’eg?«
Athanor begriff, dass sie bestimmte Laute nicht formen konnte, weil sie einen Schnabel statt Lippen besaß. Ihrem scharfen Verstand schadete es offensichtlich nicht.
»Feinde, die man nicht töten darf, behält man besser im Auge«, versuchte er, sich herauszureden. »Kennst du ihn schon lange?«
»Er ist noch nicht lange ’ächter. A’er er ’erachtet uns – und die Trolle. Und ’enschen auch.«
Je länger Athanor ihr zuhörte, desto klarer verstand er sie.
»Die meisten Elfen schauen auf uns herab. Ich frage mich, wie du Kommandant werden konntest.«
Hoffentlich waren nicht alle Harpyien so scharfsinnig. Doch zum Glück hatten sie nicht diesen Eindruck gemacht. »Gerade deshalb«, behauptete er. »Niemand in ihrem Rat wollte mit den Trollen zu tun haben, weil sie sie für widerliche, stinkende Ungeheuer halten. Ich glaube, die meisten waren ganz froh, dass sie diese Aufgabe auf einen Menschen abwälzen konnten.«
Die Harpyie ließ ein abgehacktes Krächzen hören, das wohl ein Lachen sein sollte. »Trolle sind stinkende Ungeheuer.«
Athanor musste grinsen. Und das von einer barbusigen Halbadlerin, der noch Blut im Schnabelwinkel klebt. Zumindest sah es wie Blut aus. »Wie heißt du?«
Sie stieß einen lauten Raubvogelschrei aus, der in den Ohren schmerzte.
»Hätte ich das etwa nicht fragen sollen?«
»Warum? Das war mein Name.«
»Oh.« Den würde er beim besten Willen nicht aussprechen können. »Wie wäre es mit einem kurzen Ija?« Das kam der Sache wohl am nächsten.
»Nein, chriiiah . Ija ist der Name meiner Schwester.«
»Chria also.« Ob er sie im Schwarm überhaupt wiedererkennen würde? »Wo habe ich dich hingeschickt?«
»Ich brauche keine Befehle. Ich fliege immer nachts die Grenze ab. Heute gen Osten.«
Keine Befehle? Das fing ja gut
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