Der letzte Krieger: Roman
liebsten wäre er zurückgeritten, um den Faunen einzubläuen, wie glimpflich sie davongekommen waren.
Elanya lenkte ihr Pferd neben seines. »Du siehst grimmig aus. Schmerzt dich eine Verletzung, von der ich nichts weiß?«
So könnte man es auch nennen. »Nein. Ich bin Krieger. Ich sehe immer so aus.«
Um ihre Mundwinkel zuckte es verdächtig, aber sie lachte nicht. »Es wird deine Laune nicht verbessern, aber ich schulde dir noch ein Beispiel dafür, dass Menschen nicht vertrauenswürdig sind.«
»Und ich schulde dir noch Dank.« Außerdem bereute er ein bisschen, ausgerechnet sie angefahren zu haben. Immerhin war sie von allen Elfen noch die umgänglichste, und besonders in Zwergenhemden sah sie zum Anbeißen aus.
»Du musst mir nicht danken. Ich diene der Grenzwache als Heilerin, und ihr Kommandant muss seine Aufgaben erfüllen können.«
Athanor zuckte mit den Schultern. »Die Vorstellung, dass du es getan hast, weil du mich unwiderstehlich findest, gefällt mir besser.«
Elanya lachte. »Du wirst nie damit aufhören, oder?«
»Nein.«
»Nun, dann hat es ohnehin keinen Sinn, darauf zu antworten. Stattdessen werde ich dir also erzählen, warum die Elfenlande für Menschen verboten waren. Ihr Menschen wusstet wohl sehr vieles nicht mehr, aber das Alte Reich von Ithara ist dir noch ein Begriff, nicht wahr?«
»Natürlich. Alle Könige hatten sich dem Kaysar, dem Ersten Menschen, unterworfen, der von Ithara aus das Reich regierte.«
»So war es«, bestätigte Elanya. »Auch wenn sein Titel nur ein Symbol war, denn der wahre Sohn Kaysas, der buchstäblich erste Mensch, hatte bereits im Zeitalter der Drachen das Licht der Welt erblickt und war längst ins Reich der Schatten gegangen.«
»Ich weiß , dass es nur ein Titel war. Sonst hätte er wohl kaum vererbt werden können.«
»Nur weil ich nicht weiß, wo deine Lücken sind, halte ich dich nicht für dumm, Athanor.«
Nein, natürlich nicht. Nur so ein bisschen. »Erzähl lieber weiter.«
»Die Jahrhunderte des Alten Reichs waren der Höhepunkt des Zeitalters der Menschen«, behauptete Elanya. »Nie zuvor hatten sie eine solche Blüte der Künste und des Wissens erlangt, und es sollte ihnen nach dem Sturz des letzten Kaysars nie wieder gelingen, Ähnliches zu vollbringen.«
Deshalb wollten wir das Reich auch wieder vereinen. Doch das konnte er ihr nicht sagen, ohne sich zu verraten. Und wenn er ehrlich mit sich selbst war, hatten die Künste und die Gelehrsamkeit bei diesen Überlegungen keine große Rolle gespielt.
»Obwohl wir bereits bittere Erfahrungen mit euch gemacht hatten, herrschte damals erneut Freundschaft zwischen Elfen und Menschen. Unsere Gesandten waren angesehene Ratgeber des Kaysars. In Ithara lebten einige von uns unter den Menschen, um sie in allem zu unterweisen, worin wir ihnen voraus waren. Sie lehrten Magie und das Wissen über die Welt und die Zeitalter. Sie bildeten Handwerker und Künstler aus und zeigten ihnen unsere Fertigkeiten. Wir glaubten sie in Sicherheit, doch wir sollten uns täuschen. Als der letzte Kaysar aus dem Haus Itharas ohne einen Erben starb, zerfiel das Reich in den Kämpfen jener, die um den Thron stritten. Könige riefen sich selbst zum Nachfolger aus, nahmen Ithara ein, nur um es bald wieder zu verlieren. Viele Elfen blieben. Sie wollten ihren Menschenfreunden in diesen schweren Zeiten beistehen. Dann kam der Schlächter Oromenos und riss die Kaysarwürde an sich. Als er im belagerten Ithara festsaß, glaubte er, unser hohes Ansehen für seine Zwecke benutzen zu können. Er forderte alle Elfen der Stadt auf, ihm zu huldigen und ihn zum rechtmäßigen Kaysar zu erklären.«
Athanor ahnte Übles. »Und? Haben sie?«
»Nein. Sie gaben ihm die einzig richtige Antwort. Es war eine Angelegenheit der Menschen, in die sie sich nicht einmischen durften. Daraufhin erklärte Oromenos sie zu seinen Feinden. Er ließ sie alle gefangen nehmen und hinrichten. Sogar ihre Kinder. Viele Seelen gingen unserem Volk an jenem Tag für immer verloren. Sie sind im Schattenreich gefangen und verschwinden. Das Ewige Licht leuchtet nun weniger hell. Von diesem Aderlass kann es sich niemals erholen.«
Für einen Augenblick wusste Athanor nichts zu sagen. Solche Dinge geschahen. Unter Menschen kamen sie immer wieder vor. Waren Elfen so anders? Missbrauchten sie niemals ihre Macht oder rächten sich für vermeintliches Unrecht? Elanya würde ihm darauf keine ungefärbte Antwort geben können. Er musste sich selbst ein Bild
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