Der letzte Krieger: Roman
Kante, verbunden durch dicke, zähe Haut. Im Schein der Lampe entdeckte Hrodomar zahllose Schrammen, Schnitte und Stiche. Nur wenige waren tief genug, dass schwarzes Blut aus ihnen geflossen war. Wie viele konnte ein Ghulwurm einstecken, bevor sie ihm die Kräfte raubten? War er wirklich an diesen Wunden gestorben?
»Er hat seine Beute verloren.« Vindur deutete auf zwei weitgehend skelettierte Beine, die unter dem massigen Leib hervorlugten. »Oder war es einer seiner Gegner? Aber dann müsste er schon ewig hier liegen.«
Hrodomar nickte. »Beute. Es muss hier in der Nähe einen Grabstollen der Menschen geben.« Vergleichend sah er zwischen den Knochen und seinen Beinen hin und her. »Für einen von uns kommen sie mir zu lang vor.«
»Aber warum hat er sie nicht an Ort und Stelle gefressen?«
»Vielleicht wurde er gestört und hat mitgenommen, was er gerade im Maul hatte.«
Vindur ließ den Blick über das riesige Untier schweifen. »Wovon lässt sich ein Ghulwurm vertreiben?«
Hrodomar betrachtete noch einmal die Wunden. Konnten sie nicht von Klauen und Zähnen stammen, die an den Hornplatten abgeglitten waren? »Von einem stärkeren Wurm? Oder einem Drachen. Suchen wir weiter. Vielleicht finden wir angesengte Schuppen.«
Eine neue Schwade Giftgestank wehte ihnen entgegen. Neben dem langen, in drei Stacheln endenden Schwanz des Wurms lag eine weitere Leiche in einer gelben Pfütze. Die ätzende Flüssigkeit fraß leise knisternd an einem Kettenhemd und Armschienen. Auch dieser Tote – der Größe nach konnte er nur ein Mensch sein – war so ausgemergelt und vertrocknet, dass er bereits vor geraumer Zeit gestorben sein musste. Hrodomar wechselte einen grüblerischen Blick mit Vindur.
»Ist das Zufall?«, fragte sein Freund.
Allmählich kamen Hrodomar Zweifel. Wie viele Leichen hätte der Ghulwurm noch im Maul haben sollen? Aber wenn es nicht so war, bedeutete es, dass …
»Hammer und Meißel!«, entfuhr es Vindur. »Axt raus, Hrodomar. Wächter der Tiefen, zu mir!«
Aufgeschreckt folgte Hrodomar Vindurs Blick. Zwei wandelnde Leichname wankten auf sie zu.
22
Der Marsch zurück nach Uthariel verlief anders, als Athanor erwartet hatte. Tatsächlich holten sie noch am selben Tag die Frauen, Kinder und Alten des Faunvolkes ein. Bis zum Abend zogen sie gemeinsam weiter und bildeten bei Anbruch der Nacht ein weitläufiges Lager, das die verbliebenen Faunkrieger wachsam umkreisten. Athanor hatte den Eindruck, dass sie den Trollen nur so weit trauten, wie sie sie im Auge behalten konnten. Nach dem vielen Blut, das die Trolle für die Chimären vergossen hatten, beleidigte es ihn fast, als wäre er selbst ein Troll.
Am nächsten Morgen kamen ein paar Abgesandte der Faune zu ihm, während alle anderen noch beim Frühstück saßen. Angeführt wurden sie von einer alten Frau, deren Oberkörper wie bei allen Fauninnen mit einem aufgemalten Geflecht aus grünlicher Paste bedeckt war. Wenn sie sprach, wippte der Ziegenbart an ihrem Kinn, und Athanor ertappte sich immer wieder dabei, auf diesen seltsamen Anblick zu starren.
»Im Namen aller hier versammelten Familien möchte ich den Elfen für die Einladung in ihre Wälder danken«, sagte sie. Ihre müden Augen verrieten die Sorgen und Strapazen der vergangenen Tage. »Wir nehmen dieses Angebot mit noch größerer Dankbarkeit an, aber …« Nun zögerte sie, und ihr Blick schweifte zu den Trollen. »… wir wollen auf unsere eigene Art weiterziehen, langsam, bedächtig, jede Familie für sich. Wir spüren, dass uns hier keine Gefahr droht. Geht also ruhig voran und erwartet uns. Ihr habt genug für uns getan.«
Im Grunde war Athanor erleichtert. Er hatte am Vortag gemerkt, wie schwer es den Faunen fiel, einfach einem Weg zu folgen. Ständig hatten sich Gruppen aufgefächert, den Wald durchstreift und herumgetrödelt, sodass der Zug immer langsamer geworden war. Er konnte gut darauf verzichten, sie bis nach Uthariel vor sich herzutreiben.
Dennoch beschäftigte ihn das Schicksal der Faune auch dann noch, als er an der Spitze seines Trupps weiterritt. Wie dankbar waren sie den Trollen und Elfen wirklich? Machten sie ihnen insgeheim Vorwürfe, weil fast alle Faunmänner gefallen waren? Doch ohne Hilfe wären sie von den Untoten einfach überrannt und niedergemetzelt worden. Dann gäbe es jetzt keine Faunkinder mehr, die zu einem neuen zahlreichen Volk heranwachsen konnten. Für sie gab es Hoffnung. Für die Menschen nicht mehr. Sie waren unwiederbringlich fort. Am
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