Der letzte Krieger: Roman
einem Vergleich und entdeckte einen Raubvogel, der über der Lichtung kreiste. »Würdest du einen Habicht dick und plump nennen, nur weil ein Falke schlanker und wendiger ist?«
»Er ist also ein Habicht. Seltsam, dass du das sagst.«
»Warum? Hast du etwas gesehen? Über ihn?«
Aphaiya machte eine vage Geste. »Ich war nicht sicher. Aber je mehr du über ihn erzählst, desto eher glaube ich, dass er es war, den ich gesehen habe. Der Mann in meinem Traum sah nicht aus wie ein Bär. Aber es kamen Flügel vor. Flügel, die … Glaubst du, dass er uns die Wahrheit gesagt hat? Über sich?«
Die seltsamen Antworten, die er ihnen nach dem Kampf gegen die Orks gegeben hatte, fielen Elanya wieder ein. Sie hatten ganz anders geklungen als seine Worte vor der Versammlung. »Ich weiß nicht. Es kommt mir vor, als zeige er uns nur Bruchstücke von sich. Hier eines und dort, und vielleicht sind nicht alle wahr. Aber wir dürfen nicht vergessen, was ihm widerfahren ist. Vielleicht kennt er sich selbst nicht mehr. Die Begegnung mit dem Ewigen Tod verändert uns. Sieh dir nur an, was aus Davaron geworden ist.«
Aphaiya schüttelte den Kopf. »Über Davaron lag schon immer ein Schatten, weil er nirgends erwünscht war. Er ist kein Maßstab. Es mag sein, dass der Mensch auch sich selbst verloren hat, als ihm sein Volk genommen wurde. Es könnte aber auch sein, dass er etwas vor uns verbergen will. Du darfst ihm nicht trauen.«
Elanya winkte ab. »Ich werde ihn doch gar nicht wiedersehen. Er ist fort, und wenn er irgendwann mit Davaron zurückkehren sollte, bin ich wahrscheinlich unterwegs.«
Wieder schwieg Aphaiya, und der Blick der Maske wirkte in sich gekehrt, obwohl sie unverändert war. Unausgesprochene Worte hingen so greifbar in der Luft, dass Elanya sie fast hören konnte.
»Was hast du gesehen? Warum willst du, dass ich vor ihm auf der Hut bin?«
»Weil du ihm folgen musst.«
»Ich? Nein.« Sie muss sich irren. »Es ist Davarons Aufgabe. Er wurde dafür ausgewählt.«
»Darum geht es nicht«, behauptete Aphaiya.
»Worum dann? Er wird wütend sein, wenn ich seine Mission gefährde.«
»Dann folge ihnen heimlich.«
»Aber das ist doch …«
»Es ist notwendig.«
Sie meint es ernst. »Aber warum ich?«
»Weil du kämpfen kannst. Du kannst dort draußen überleben. Und weil ich deinem Urteil vertraue. Es muss jemand sein, der sorgfältig abwägt, statt den Menschen einfach zu erschlagen.«
Elanya fröstelte. Die Sonne mochte hinter den Bäumen verschwunden sein, aber es war längst nicht kalt. »Es könnte also sein, dass ich ihn töten muss?«
»Ich habe gesehen, dass er großes Glück über uns bringen wird.«
Davarons Mission!
»Aber auch großes Unheil. Elfen starben auf einem Schlachtfeld, und über allem lagen die Schatten meines anderen Traums. Etwas zerbrach, das nicht hätte zerbrechen dürfen.«
Die Kristalle?
»Du musst ihnen folgen und dieses Unheil abwenden! Aber darüber dürfen wir das Glück nicht gefährden, das er bewirken wird, verstehst du? Nur du wirst weise darüber entscheiden, wie es geschehen kann. Die anderen blendet ihr Hass auf die Menschen.«
»Ja, ich verstehe.« Unter den Grenzwächtern gab es keinen, der die Menschen nicht verachtete, und ihr fiel niemand ein, dem sie die Aufgabe hätte übertragen können. Schon gar nicht Davaron. Er hätte Athanor getötet und allein versucht, bei den Zwergen Einlass zu erlangen. Diesen Plan hatten Kavarath und er bereits gehegt, bevor der Mensch aufgetaucht war. Vor zwei Tagen schien es noch die einzige Wahl zu sein, die wir hatten. Doch nun gab es Athanor, und sie durfte nicht zulassen, dass diese glückliche Fügung der alten Feindschaft zum Opfer fiel.
»Wirst du gehen?«
»Ja.« Elanya sprang auf. Es gab einiges vorzubereiten, und die beiden hatten einen halben Tag Vorsprung. Von Aphaiya konnte sie sich verabschieden, wenn sie aufbrach. Ihr Weg führte ohnehin in der Nähe vorüber.
»Schwester?«
Elanya drehte sich noch einmal um. »Ja?«
Durch das Lächeln der Maske wirkte es, als triumphiere Aphaiya, doch in ihrer Stimme lag keine Spur davon. Sie klang eindringlich. »Sprich nicht mit ihm über sein Schicksal. Wenn er davon wüsste, würde sich alles verändern. Er muss aus freien Stücken wählen. Allein. Und wenn er die falsche Wahl trifft, darfst du keine Gnade kennen.«
Der Stand der Sonne und das Moos an den Bäumen verrieten Athanor, dass Davaron nicht den Weg einschlug, auf dem sie gekommen waren. Am Vortag hatten
Weitere Kostenlose Bücher