Der letzte Krieger: Roman
fort und hielt neben dem reglosen Elf inne. Wie leicht wäre es jetzt, dessen spitze Zunge für immer zum Schweigen zu bringen. Er konnte allein mit dem Edelsteinsalz zurückkommen und den Elfen erzählen, dass Davaron leider von einem Orross zerfleischt worden war. Doch er wollte nicht weniger großmütig sein als ein dahergelaufenes Pferd. Er würde Davaron noch eine Chance geben, sich als erträglicher Kamerad zu erweisen. Aber ich warne dich, Elf. Sie ist klein.
Eine winzige Bewegung lenkte seine Aufmerksamkeit auf Davarons Hand. Die Finger hatten sich fester um den Griff des Dolchs geschlossen. Athanors Blick schoss zu Davarons Gesicht. Glitzerten da etwa Augäpfel durch einen schmalen Lidspalt? Abfällig schnaubend trat er einen Schritt zurück. Die Warnung ist angekommen, denke ich.
6
Oder auch nicht. Zwei Tage später stapfte Athanor auf Davarons Spuren einen alten Karrenweg entlang. Jedes Mal, wenn der Elf keinen Hunger hatte, marschierte er einfach voraus, während Athanor aß. Diese Eile, für die es aus seiner Sicht keinen Grund gab, reizte Athanor dazu, sich besonders viel Zeit zu lassen. Wenn er Davaron dann folgte, kam er sich trotzdem wie ein lahmer Schwächling vor, der den Elf nur aufhielt. Ohne es zu wollen, ging er schneller als sonst, bis er Davaron wieder eingeholt hatte. Besonders ärgerte es ihn, wenn er darüber seine übliche Vorsicht vergaß. Er hatte nicht so lange überlebt, weil er durch die Gegend gehetzt, sondern weil er ein Teil der Wildnis geworden war. Er hatte die Gefahr gespürt. So wie er nun schon eine Weile das Gefühl hatte, verfolgt zu werden.
Verdammter Elf. Wenn man ihn vielleicht einmal brauchte, war er weit weg. Athanor ging langsamer, um besser auf die Geräusche des Waldes achten zu können. Nur ein ferner Vogel piepte zaghaft gegen die Stille an. Es war so heiß, dass sich nicht einmal Wind regte. Athanor wischte sich den Schweiß aus der Stirn. Der Regen hatte begonnen, die alten ausgefahrenen Wagenspuren zu verwischen, doch nun war der Boden so ausgetrocknet, dass Risse darin klafften. Bei solchem Wetter lagen große Raubtiere müde herum und ließen sich die Sonne auf den Wanst brennen.
Unauffällig schielte Athanor auf sein Muli. In sein Schicksal ergeben, an allen Kräutern und Gräsern vorbeiziehen zu müssen, trottete es hinter ihm her. Keine geblähten Nüstern, keine aufgestellten Ohren, nichts deutete darauf hin, dass es Gefahr witterte.
Wer oder was folgte ihm dann? Er blieb stehen und suchte den Himmel nach einem Rokkur ab, einer der Chimären, die halb Adler, halb Hyäne, aber groß wie Bären waren. Doch außer ein paar versprengten Wolken fand sich dort oben nichts. Sein Gespür flüsterte ihm ein, dass er aus dem Wald beobachtet wurde, nicht von oben. Das Muli sah ihn kurz an und ruckte versuchsweise am Strick.
»Nicht jetzt«, knurrte er. Dieses Vieh dachte immer nur ans Fressen. Merkte es denn überhaupt nichts? Er zog es weiter und ging seine Möglichkeiten durch. Kein Verfolger ließ sich überrumpeln, indem man einfach umdrehte. Wenn der Unbekannte auf einen Angriff aus war, wartete er wohl noch auf eine günstige Gelegenheit. Die kannst du haben.
Athanor wandte sich um, bückte sich und hob mit der Linken einen Huf des Mulis an, als wollte er einen Stein daraus entfernen. In Wahrheit packte er mit der Rechten den Schwertgriff. Eine Weile verharrte er so und lauschte, doch die angemessene Zeitspanne für einen eingeklemmten Stein verging, und nichts geschah. Zögernd richtete sich Athanor wieder auf. Hatte er sich getäuscht?
Angespannt ging er weiter. Jetzt blieb ihm nur noch eins, um den Unbekannten aus der Reserve zu locken. Er packte den Strick des Mulis kürzer und fester, woraufhin es ihn bereits alarmiert ansah. »Komm!«, herrschte er es an und riss es herum, geradewegs in den Wald hinein. Er brach durchs Unterholz, ohne sich um den Lärm zu scheren. Je mehr Zweige er knickte und Pflanzen zertrampelte, desto leichter fand sein Verfolger die Fährte.
Tiefer im Wald war der Boden weniger ausgetrocknet. Das dichte Laubdach bewahrte ihn vor der Hitze, und Athanor stellte zufrieden fest, dass er deutliche Fußabdrücke hinterließ. Er baute darauf, dass der Unbekannte ihn zwischen den Bäumen aus den Augen verloren hatte und nun seinen Spuren folgen musste. Da er nicht wusste, wie groß sein Vorsprung war, marschierte er noch eine Weile in die falsche Richtung, bevor er in einem weiten Bogen zum Weg zurückkehrte. Einen Blick im
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