Der letzte Kuss
Romans Befürchtung, dass er sie mit seinen unterschiedlichen Signalen verletzt habe, und deshalb schuldete er ihr eine Erklärung. Aber sie gab ihm keine Gelegenheit, zu antworten.
»Oder ist es vielleicht das, was du magst – die Jagd, das Verbotene. Womöglich bist du einer von den Männern, die etwas nicht mehr wollen, wenn sie es zu leicht bekommen können.« Sie schüttelte den Kopf. »Und ich habe es dir verdammt leicht gemacht.« Sie wurde knallrot bei dem Gedanken daran, was sich im Umkleideraum ihres Ladens zwischen ihnen abgespielt hatte.
Er ergriff ihre Handgelenke, als sie an ihm vorbeikam, und hielt sie fest, bis sie seinem Blick begegnete und ihre grünen Augen einzig und allein auf seine konzentrierte.
»Du glaubst also, ich will dich nicht?«, stieß er durch zusammengebissene Zähne hervor.
»Ich habe keinen gegenteiligen Beweis.«
Ihre Worte waren so etwas wie eine Mutprobe und erregten seine animalischen Instinkte. Alle guten Vorsätze waren weggewischt, sie hatte ihn bis an seine Grenzen und darüber
hinaus gereizt. Er machte einen Schritt vorwärts und drückte sie gegen die Wand, bis ihre Körper sich aneinander pressten. Es war ausgeschlossen, dass sie den Beweis seiner Begierde nicht bemerkte, genauso, wie er ihre aufgerichteten Brustwarzen nicht ignorieren konnte, die spitz und hart seine Brust versengten. Ohne auf eine Antwort zu warten, neigte er den Kopf zu einem Kuss – einem kampfartigen Kuss, bei dem sich ihre Zungen begegneten, und der ebenso wechselseitig wie leidenschaftlich war.
Es kostete ihn all seine Entschlossenheit, um diesen Augenblick zu unterbrechen, aber er hob seinen Kopf: »Wäre das ein Beweis?«, fragte er und atmete schwer dabei.
Sie holte tief Luft und stieß sich von ihm ab. »Okay, Roman. Keine weiteren Spielchen.«
Nichts wollte er so wenig, wie mit ihren Emotionen spielen, aber jedes Mal, wenn sie in der Nähe war, geriet er völlig außer Kontrolle und verhielt sich gegen jede Vernunft.
»Was willst du von mir?« Sie rieb sich die Oberarme, als ob sie sich selbst Wärme und Behaglichkeit verschaffen könnte.
Er stöhnte laut auf. »Was ich haben will, und was ich mir nehmen kann, sind zweierlei Dinge.« Endlich waren sie zum Kern des Problems vorgedrungen. »Ich bleibe nicht in der Stadt«, sagte er, mit sanfter und leiser Stimme, und sprach damit die eine Wahrheit aus, die sie mit Sicherheit zurückstoßen würde. Egal, wie sehr es ihn schmerzte.
»Ich weiß.« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Und ich wünschte, mein Vater wäre mit meiner Mutter genauso ehrlich gewesen.«
Ihre Worte trafen Roman unvorbereitet. Er wusste nur, was alle in der Stadt wussten – dass Russell Bronson sich aus Yorkshire Falls davongemacht und seine Frau mit einem
kleinen Kind allein gelassen hatte. Er kehrte in unregelmäßigen Abständen zurück, blieb für eine Weile, um dann wieder zu verschwinden. Roman wusste auch, dass beiden Frauen sein Verhalten großen Schmerz bereitet hatte. Etwas, was er niemals gewollt hätte oder beabsichtigen würde.
Er streckte die Hand aus und berührte Charlottes Wange.
»Das ist nicht dasselbe.«
»Nur deshalb, weil ich mich bewusst darauf einlassen würde, dass es sich um keine feste Beziehung handelte? Sonst wäre es genau das Gleiche.«
Ihre Stimme war rau und emotionsgeladen, drang tief in Romans Herz. Es war lange her, dass irgendjemand oder irgendetwas ihn so im Innersten berührt hatte. Nicht jedenfalls seit dem Tod seines Vaters und den ersten Jahren, in denen seine Mutter getrauert hatte. Roman rebellierte instinktiv gegen die aufsteigenden Regungen, aber die intensiven und ehrlichen Gefühle ließen sich nicht mehr zurückdrängen. Und es gefiel ihm nicht, mit dem weggelaufenen Ehemann und Versager-Vater der Stadt in einen Topf geworfen zu werden, mit dem Mann, der Charlotte so weh getan hatte.
»Niemals würde ich meine Verpflichtungen derart missachten.« Aber noch während er sprach, wurde ihm bewusst, dass er genau das vorhatte.
Sich verheiraten, seine Frau schwängern und verschwinden. Genau das, was Charlottes Vater ihrer Mutter angetan hatte. Roman hatte bei den bevorstehenden Veränderungen in seinem Leben nur an sich selbst gedacht; ihm war gar nicht in den Sinn gekommen, was sein Verhalten bei der betroffenen Frau anrichten könnte oder würde.
Angewidert schüttelte er den Kopf. Selbst wenn seine Motive selbstlos waren, nämlich auf das Wohl seiner Mutter
und nicht auf das eigene ausgerichtet, wäre
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