Der letzte Kuss
Beth, du bist eine schöne Frau, verlobt mit einem Mann, den du liebst, und trotzdem bist du unglücklich. Warum?« Charlotte schluckte schwer, weil sie nicht missbilligend klingen wollte. »Weil du hier bist und er in New York ist?«
Beth schüttelte den Kopf. »Nicht nur das.«
»Bitte erklär mir die Sache. Ich verspreche zuzuhören und nicht zu urteilen.« Charlotte zog Beth an der Hand und führte sie zu den Sesseln im Wartebereich. »Ich hole uns etwas zu trinken, und dann redest du mit mir, ja?«
Einen Moment später setzte sich Charlotte mit einer geöffneten Dose Selters für jeden zu Beth. Sie zog ihre Beine unter sich. »Ihr beide seid euch also letzte Weihnachten begegnet?« Sie lenkte Beth Erinnerung zurück an den Anfang.
»Ja. Norman gab seine alljährliche Party, und David war in der Stadt, um die Ramseys zu besuchen – Joanne ist die Schwester seiner Mutter. Jedenfalls wurden wir einander vorgestellt, und kamen dann ins Gespräch … An diesem Abend habe ich mich in ihn verliebt. Ich wusste einfach, dass er der Richtige war.«
»Worüber habt ihr euch unterhalten? Wie wusstest du, dass er der Richtige war?« Charlotte beugte sich eifrig vor, weil sie darauf brannte zu hören, dass ihr Misstrauen gegen David falsch war, dass er und Beth in Wahrheit mehr Ziele und Interessen gemeinsam hatten, als sie bisher hatte entdecken können.
»Hauptsächlich über seinen Beruf. Er hat berühmte Patientinnen, aber auch ganz alltägliche Frauen, die eine Veränderung brauchen, um das Beste aus ihrem Potenzial zu machen.«
»Klingt interessant«, log Charlotte. »Und als er dich nach Hause gebracht hat, hat er dich da unter dem Sternenhimmel geküsst?« Charlotte wünschte sich für Beth die ›Glücklich bis ans Ende ihrer Tage Story‹, die ihr selbst erst noch widerfahren musste.
»Nein. Er war ein wirklicher Gentleman. Er hat mich auf die Wange geküsst und …«
Charlotte legte ihre Hand auf die von Beth. »Und was?«
»Und mir seine Karte gegeben. Er sagte, wenn ich jemals in New York sei, solle ich ihn aufsuchen. Und dass er sicher wäre, mein gutes Aussehen noch maximieren zu können.«
Charlottes Magen stürzte ab, ihre Befürchtungen wurden neu belebt. »Beth – ich bringe mich jetzt in eine schwierige Lage, deshalb schlag mich, wenn du es für nötig hältst – warum glaubtest du, etwas maximieren zu müssen, was bereits tadellos war? Keiner ist perfekt, Süße.«
»Na ja, so wie ich war, konnte ich nie den richtigen Mann für mich interessieren«, sagte sie defensiv.
»Weil Yorkshire Falls nicht so viele richtige Männer hat.«
Bis auf Roman.
Charlotte schüttelte diesen verräterischen Zusatz schnell ab. Er war der falsche Mann, richtig nur für ein paar Wochen, erinnerte sie sich selbst ganz brutal. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Beth. »Was geschah als nächstes?«
»Ich machte einen Ausflug nach New York. Ich hatte schon immer mal eine Broadwayshow sehen wollen, und also überredete ich meine Mutter zu einem Wochenendtrip. Wir übernachteten im Hotel, haben eine Show gesehen und ein schönes Wochenende verbracht.« Sie kaute an ihrer Unterlippe. »Am Sonntag schickte ich meine Mutter nach Hause, und am Montag besuchte ich David in seiner Praxis. Damit fing alles an. Einen Monat später waren wir verlobt.«
»Nachdem du deine Implantate bekommen hattest?«
Beth blickte in die Ferne. »Er war unglaublich. So um mich und meine Bedürfnisse bemüht.«
Und um das, was er kreieren wollte, dachte Charlotte. Der Mann war gar nicht an der tollen Frau interessiert, die Beth bereits war. Sie nahm einen Schluck Selters. »Bist du oft hingefahren?«
Beth nickte. »Und danach kam er an den meisten Wochenenden hierher. Wir hatten so unglaubliche Pläne«, sagte sie und ihre Augen leuchteten bei der Erinnerung daran, wenn auch eine Spur von Traurigkeit blieb. »Ihm gehört dieses wunderbare Penthouse. Man kann von da den East River sehen, und die Geschäfte rundherum sind herrlich. Auch Babyläden gibt’s da im Überfluss. Wir waren uns einig,
sofort Kinder zu bekommen, und er wünschte sich, dass ich zuhause bliebe und sie großzöge.«
»Darf ich dir eine ganz persönliche Frage stellen?« Charlotte wusste, dass sie vorschnell klingen würde und voreingenommen war von den Erfahrungen ihrer Mutter, aber Charlotte hatte das Gefühl, damit in Beths Fall absolut richtig zu liegen.
»Na mach schon«, erwiderte Beth misstrauisch.
»Mit seinem Geld und bei euren
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