Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)
Gleiches Schicksal widerfährt / Mann und Ross im Lande / es knüpfen Isländer und Pferd / glückdurchwirkte Bande .« Er zwinkerte ihr zu. »So ist das mit dem Fahrrad hier in Island, Lies.«
Sie nickte, durch seine Worte still geworden. Ihre Hand war auf die Mähne des weißen Pferdes gesunken, und sie spürte jedes seiner Haare unter den Fingern. Kein kostbar Ding wert Móaling. Glückdurchwirkte Bande. Ob was dran war? Ob es wirklich so einfach war? Glück hatte sie doch eben auch ganz kurz gespürt. Glück …
»Also los, hopphopp, an die Arbeit!« Der Kaufmann ließ den Motor seiner Maschine aufheulen. Das Hochland war nicht wirklich ein Ort für Gedichte, und so jagten die Hunde los, denn Gunnarsstaðirs Schafe waren am Horizont in Sichtweite gekommen. Hier oben lag mehr Schnee als unten im Tal, auch wenn es heute nicht mehr geschneit hatte. Doch die Schafe hoben sich deutlich mit ihrem schmutzig grauen Fell vom weißen Boden ab. Wie schwarze Punkte flogen die Hunde davon. Spannung lag in der Luft.
Danach hatte Lies keine Zeit mehr zu denken. In raschem Tempo ging es vorwärts, den Hunden nach, die geschickt von drei Seiten die Schafe einkreisten – sonst ohne Unterlass kläffend, geschah das nun stumm und fast geheimnisvoll. Sie flitzten voran, der eine erklomm die letzten Hügel, um verstreute Schafe von dort herunterzutreiben, und die Männer galoppierten hinterher, wobei sie immer wieder monoton » Hæ ! Hæ ! Hæ !« riefen und den Hunden so gut halfen, wie sie konnten. Jói setzte einem kleinen Pulk Schafe hinterher, welcher sich von der Gruppe absetzte und in Richtung Norden rannte – wuselnde Fellberge mit wild tanzenden langen Haaren, die sich merkwürdig hoppelnd vorwärts bewegten, man mochte gar nicht glauben, dass so dünne Beinchen so schnell über harten Geröllboden laufen konnten! Zwei aus der Gruppe scherten aus und rannten in eine andere Richtung, Tilli galoppierte hinterher und trieb sie zu den anderen Schafen. Die Luft war erfüllt vom Pfeifen des Windes und dem Blöken der Schafe, die sich noch orientierungslos in der Mitte der Ebene sammelten, wo drei aufmerksame Hunde wie Wölfe geduckt über den Boden schlichen, auf sie aufpassten und jeden vermeintlichen Ausbrecher sofort wieder in den wimmelnden Pulk zurückscheuchten. Lies versuchte zu erkennen, ob ihr irgendeins der Tiere bekannt vorkam. Nein. Oder doch? Die alte Graue da hinten? Das schwarze Schaf – war das das Schaf, welches neben der Tür gehaust hatte? Das braune da hinten – war das Hurly-Burly? Keines davon hatte etwas von der süßen Unschuld der Lämmer behalten, die Lämmerlocken waren gegen das langhaarige, tanzende Wollkleid des erwachsenen Schafs getauscht worden. Keines von ihnen sah noch knuddelig oder zum Liebhaben aus. Stubsnasige Köpfe mit runden Nasen hatten sich ins Erwachsensein gestreckt, hölzern und halslos drehten sich die Köpfe aus einem unwahrscheinlich dichten Filz, kalt und grün schauten die Augen, und den seltsamen Wesen waren Hörner gewachsen. Einige von ihnen würden von hier aus zum Schlachter gehen, wie das in Island üblich war. Lies schluckte. So war das eben. Sie hatte Mühe, das zu akzeptieren.
Jói galoppierte den Hang hoch. Kraftvoll zog sein Pferd sich über die Felsen, während er geduckt in den Bügeln stand, um ihm die Arbeit zu erleichtern. Die Schafe flohen immer weiter hoch. Lies dachte, ›er bekommt sie doch nie, wie will er das anstellen...?‹ Dann war Jói hinter den Felsen verschwunden. Das Motorrad röhrte über die Ebene und trieb aus der anderen Richtung fünf Tiere herbei, und Tilli war an den See geritten, wo einige Schafe im Uferschlamm standen. Vorsichtig pirschte er sich heran, immerhin hatte er keinen Hund dabei, hielt das Pferd noch zurück; dann ließ er die Zügel los, und der Schwarze töltete los, stolz erhoben mit lustig wippender Mähne, wehendem Schweif und hochfliegenden Beinen, und Tilli hetzte die Schafe » Hæ ! Hæ ! Hæ !« vorwärts, mit beiden Armen wedelnd, dass Lies lachen musste, weil es wirklich drollig aussah, wie dieser große Mann wie ein Don Quichotte auf dem kurzbeinigen wilden Pony voranflitzte, ohne dass die Hufe den Boden berührten.
Am Hang tat sich etwas. Oben auf der Kuppe war Jói erschienen und brüllte. Lies verstand irgendwas mit »Hund« und »hoch«. Keiner der Männer war abkömmlich, alle waren sie mit Schafen zugange – nur sie hatte keine Arbeit. Jetzt hatte sie welche.
Sie pfiff nach dem Spitz – der auf
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