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Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Titel: Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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roch an dem Fell und roch und roch. Leise meckernd stakste das Lämmchen um das Muttertier herum – das war weiterhin misstrauisch, irgendwas stimmte nicht, was war es nur, was war es …
    Und dann verschwand das Lamm unter dem wolligen Bauch, und man hörte es leise schmatzen.
    Elías nickte anerkennend.
    »Für manchen ist etwas anderes vorgesehen«, sagte er leise. Und es war nicht möglich, zu sagen, wen er damit meinte.
    Dann begann der Sommer so richtig, von einem Tag auf den anderen, obwohl der kontinentale Kalender eigentlich einen Frühling zwischengeschaltet hatte. In Island war das anders. So jedenfalls kam es Lies vor. Die Temperatur stieg unaufhaltsam, immer häufiger schien die Sonne, ohne von Regenschauern oder gar Schneegriesel unterbrochen zu werden, und die Lämmer hüpften so ausgelassen in ihren Pferchen herum, dass Lies schon fürchtete, die Holzabtrennungen würden sie nicht mehr lange aufhalten. Das Schaf mit dem schwarzen Kopf sprang eines Nachts über den Zaun und nahm seine beiden Lämmer mit sich. Wie es das mit seinen unförmigen Wollmassen angestellt hatte, würde für immer sein Geheimnis bleiben. Nun, wenn die anderen Lämmer stark genug waren, würden sie alle davonlaufen dürfen, so hatte Elías es versprochen. Jeden Tag schaute er sich die Tiere an, brummte vor sich hin und schüttelte bei einigen den Kopf. »Noch zu früh fürs Hochland. Noch zu schwach.«
    Ein paar Tage später entdeckte Lies die drei Ausbrecher am Fuß der Hügelkette, wo der Pfad ins Hochland begann. Eins der Lämmer war weiß, und es leuchtete gegen die düsteren Felsen. Eilig packte sie ihre dicke Jacke und machte sich daran, die Tiere zu verfolgen. Es war das erste Mal, dass sie den Fuß auf diesen Pfad setzte, der sich den Hang entlangschlängelte und dann hinter dem steilen Berg im Nirgendwo verschwand. Elías war dort oft herumgestiegen und hatte stets was von »gefährlich« gemurmelt. Lies verstand nicht, was der Alte dort gesucht hatte, denn außer Moos, ein paar Gräsern und Steinen gab es nichts, was man dort hätte aufheben können. Ein paar Schneehühner flatterten panisch auf und suchten das Weite. Sie kraxelte eine Weile zwischen den Felsbrocken herum und hörte über sich die Lämmer meckernd lachen. Keine Chance, sie von hier hinunterzutreiben. »Ihr wisst hoffentlich, was ihr tut!«, rief sie den Tieren hinterher und machte sich entnervt wieder an den Abstieg. Das dicke Mutterschaf blökte ihr hinterher. Es spazierte noch einige Tage mit seinem Nachwuchs dort oben herum und stahl nachts Heu von den Ausläufen. Dann waren sie eines Tages verschwunden.
    »Bis zum Herbst«, murmelte Elías, als Lies ihm von dem Verlust beichtete, »bis zum Herbst, Mädchen, wenn Fjalla-Eyvindur sie uns nicht stiehlt.« Und er lächelte so milde wie nur ganz selten.
    Mit steifen Fingern hielt er die Flasche fest, an der das eine Waisenlamm saugte, das andere Lamm hielt Lies zwischen den Knien. Zum Glück war es bei den zwei Waisenlämmern geblieben – die machten schon Arbeit genug. Aber sie waren es wert, sie waren besonders hübsch und außergewöhnlich, denn sie hatten schwarzes Fell, weiße Beine und weiße Käppchen, struppige weiße Krägen und sahen aus wie zwei kleine Mönche. Elías hatte sie » broðir « und » systir « getauft – Bruder und Schwester, obwohl sie nicht von demselben Mutterschaf stammten. Beide waren von ihren Müttern verstoßen worden, und es war nicht gelungen, sie anderen Schafen unterzuschieben.
    Sie saßen auf klapprigen Stühlen vor dem Haus – Lies hatte sie aufgestellt, weil die Sonne schien und sie so hungrig nach Wärme war, und Elías war ihr mit der Kaffeetasse gefolgt. Heute war er mal wieder richtig umgänglich.
    »Wer ist Fjalla-Eyvindur?«, fragte Lies deswegen mutig. »Gibt es hier Schafdiebe?« Sie machte große Augen.
    Elías schüttelte den Kopf. »Fjalla-Eyvindur lebt nicht mehr. Er war ein Dieb, und er musste deshalb fast zwanzig Jahre als Geächteter leben. Er trieb sich in der Wüste, die man Sprengisandur nennt, herum und in den Bergen, weswegen man ihn Berg-Eyvindur rief. Zusammen mit seinem Weib Halla flüchtete er von Unterschlupf zu Unterschlupf, und sie stahlen Pferde und Schafe und aßen sie roh, wenn sie kein Holz zum Feuermachen fanden. Niemandem gelang es, die beiden zu fassen, denn Halla konnte kämpfen wie ein Mann, und Fjalla-Eyvindur schlug das Rad, wenn er flüchtete – so schnell, dass ihn auch die schnellsten Pferde nicht einholten. Fast

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