Der letzte Liebesdienst
»Regeln sehr weit auszulegen war schon immer deine Spezialität, das ist wohl wahr.«
»Ach, Elli . . .« Michelle lehnte sich zurück und legte leicht den Kopf schief wie ein neugieriger Vogel. »Wer hätte gedacht, dass du einmal heiraten würdest?«
Elisabeth schaute auf Michelles Ringfinger. »Du bist anscheinend verheiratet.«
»Ach das . . .«, Michelle griff an den Ring, »ist nur eine Reminiszenz. Ich bin schon lange geschieden. Ich glaube, ich habe zu früh geheiratet. Ich hätte länger warten sollen. Aber es war eben immer mein Traum. Ganz in Weiß . . .« Sie lächelte. »Und da du nicht heiraten wolltest, musste ich mir eben jemand anderen suchen.«
»Ich sehe keinen Sinn darin zu heiraten, wenn man kaum volljährig ist«, sagte Elisabeth. »Da sind andere Dinge wichtiger. Ausbildung . . .«
»Das hast du mir deutlich klargemacht, ja«, sagte Michelle. »Ich wollte eben alles auf einmal, auf nichts verzichten.«
»Hmhm«, sagte Elisabeth. »Ich erinnere mich.«
»Du bist mir immer noch böse?« Michelle hob die Brauen. »Nach fünfzehn Jahren?« Ihre frechen, grüngesprenkelten Augen blitzten herausfordernd.
»Fang nicht wieder so an«, sagte Elisabeth warnend. »Ich dachte, das hätten wir hinter uns. Sonst wäre ich gar nicht erst gekommen.«
Michelle lachte. »Oh Elli . . . Du spielst immer noch erwachsen.«
»Ich bin erwachsen«, erwiderte Elisabeth brüskiert. »Schon eine ganze Weile.«
»Da bin ich nicht so sicher«, sagte Michelle. Sie beugte sich vor und schaute Elisabeth warm an. »Du bist immer noch das kleine Mädchen mit den großen Idealen.«
»Wenn überhaupt, wohl eher ein großes Mädchen«, erwiderte Elisabeth. Sie versuchte, ernst zu bleiben, aber ihre Mundwinkel zuckten.
Michelle nahm ihre Hand und streichelte sie. »Was meinst du? Um der alten Zeiten willen?«
Elisabeth zog ihre Hand zurück. »Ich heirate in sechs Wochen!«
»Aber noch bist du nicht verheiratet.« Michelle blickte sie mit diesem Ausdruck in den Augen an, der Elisabeth früher immer hatte schwachwerden lassen.
Elisabeth lachte trocken auf. »Das würde Lara gefallen! Ihr mache ich Vorwürfe, und ich – Dann hätte sie endlich einen Grund, die Hochzeit abzublasen.«
»Oh.« Michelle setzte sich zurück und schaute etwas erstaunt auf Elisabeth. »Sie will gar nicht heiraten? Nur du?«
»Eine Umkehrung der Verhältnisse, denkst du? Ja, das ist es wohl.« Elisabeth verschränkte die Arme vor der Brust.
Michelle schaute sie nachdenklich an. »Was ist los, Elli? Da stimmt doch etwas überhaupt nicht. Wenn sie nicht heiraten will, der Hochzeitstermin aber feststeht und du anscheinend darauf bestehst . . . das ist doch keine vielversprechende Zukunft für eine Ehe. Dann bist du genauso schnell wieder geschieden, wie ich es damals war.«
»Sie kann sich nicht scheiden lassen«, sagte Elisabeth. »Das hätte unangenehme Folgen, die sie nicht eintreten lassen wird.«
»Du meine Güte, Elli! Das klingt ja wie Erpressung!« Michelle starrte sie mit aufgerissenen Augen an. »Was tust du da?«
Elisabeth presste die Zähne aufeinander. »Das hat sie sich selbst zuzuschreiben. Sie und ihre . . . Freundin.«
»Wie . . . sie . . .? Elli . . .« Michelle wirkte erschüttert. »Du hast irgendetwas gegen sie in der Hand?« Sie atmete tief durch, dann sah sie Elisabeth sehr ernst an. »Lernst du es denn nie, Elli? Das hat damals schon unsere Beziehung zerstört. Ich dachte, in den letzten fünfzehn Jahren hättest du ein bisschen was dazugelernt. Nicht nur Juristisches. Du kannst sie doch nicht zwingen.«
»Doch, kann ich«, erwiderte Elisabeth mit zusammengepressten Lippen. »Sie hat mich belogen und betrogen, warum soll ich da zurückstecken? Sie soll die Folgen tragen. Wie oft sehe ich das vor Gericht, dass die Leute tun können, was sie wollen, und niemals werden sie bestraft? Nichts hat mehr Konsequenzen heutzutage. Sie müssen es spüren –«
»Elli.« Michelle griff nach Elisabeths Hand, aber diesmal nicht, um sie zu streicheln. Sie hielt sie mit Gewalt fest. »Elli«, sagte sie noch einmal. »Komm wieder zu dir. Was ist denn nur passiert? Wir reden hier doch nicht über einen Fall. Wir reden über deine zukünftige Frau. Was sie anscheinend gar nicht sein will.«
»Sie will alles. Wie du damals«, sagte Elisabeth mit zusammengezogenen Brauen. »Mich, ihre Liebhaberin, wer weiß noch wie viele andere. Das lasse ich mir nicht noch einmal bieten.«
Michelle schüttelte den
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