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Der letzte Massai

Der letzte Massai

Titel: Der letzte Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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dazu die Zeit gefehlt. Überraschenderweise schien seine Frau damit zufrieden zu sein, abzuwarten, wenngleich sie auch häufig bei Freunden in Nairobi weilte, was gegenwärtig der Fall war.
    Colchester gab drei Teelöffel Zucker in seinen Tee, nippte schweigend daran und sah zu, wie sein Gastgeber einen Brotlaib auseinanderriss.
    Delamare wusste, dass ihm die Aufgabe zufiel, die Unterhaltung zu beginnen. Obgleich ihre Farmen aneinandergrenzten, lebten die beiden Männer viele Meilen voneinander entfernt und trafen sich nur selten. Colchester erinnerte ihn an einen wilden Hirtenhund und weniger an einen reichen Landbesitzer und Viehzüchter. Dieser Eindruck wurde noch durch seine Angewohnheit verstärkt, jedes Mal ein Knurren von sich zu geben, bevor er etwas sagte, ganz so, als sei die Anstrengung des Sprechens zu viel für ihn. Zudem litt er unter vergrößerten Polypen, so dass seine Stimme so klang, als würde er sich die Nase zuhalten.
    Colchester pflegte tagelang sein Lager bei den Massai-Hirten aufzuschlagen, mit ihnen zu essen und an ihren Fleisch-Festessen teilzunehmen. Zu Hause kaute er ihren Tabak und verbrannte Leleshwa-Blätter, um sich Erleichterung mit seinen Polypen zu verschaffen. Es war diese Vertrautheit mit den Bräuchen der Massai, die Delamere veranlasst hatte, ihn an diesem Tag zu sich einzuladen. Trotz Colchesters wortkarger Art und seiner merkwürdigen Angewohnheiten, respektierte Delamere den Mann. Es war bedauerlich, dass er nicht mitteilsamer war, denn er erwies sich als überraschend scharfsinnig, wenn er einmal seine Gedanken offenbarte. Doch für gewöhnlich musste man sie ihm entlocken. Wie Delamere glaubte auch er, dass nur große Farmen die Wirkungen zu erzeugen vermochten, die nötig waren, um in einem Land Erfolg zu haben, dessen Boden und Klima sich so sehr von dem unterschied, was die meisten aus England kannten. Beide Männer scheuten sich nicht, zu experimentieren und neue Methoden bei ihren Verteidigungsstrategien gegen das Unerwartete zu entwickeln. Sie waren sich der Wichtigkeit bewusst, dass ihre Farmen hohe Gewinne abwarfen und Kapital neu investiert werden konnte, um den Kampf fortzusetzen, bis Afrika besiegt war.
    »Sagen Sie, Gilbert«, begann Delamere, nachdem sie den größten Teil des Brotes gegessen und ihre Tassen geleert hatten, »was wissen Sie eigentlich über diese Sache mit der Blutsbrüderschaft unter den Massai?«
    »Kommt vor.«
    Delamere wartete vergeblich auf weitere Erklärungen. »Wozu dient sie? Wann kommt sie zur Anwendung? Wer kann ein Blutsbruder werden?«, bohrte er nach.
    Colchester schaute ihn flüchtig an und hob seine Tasse an die Lippen. Als er feststellte, dass sie leer war, wanderte sein Blick zu der Kanne auf dem Ofen. Delamere füllte ihm Tee nach.
    »Wozu dient die Blutsbrüderschaft?«, fragte er wieder.
    Colchester gab diesen knurrenden Laut von sich, ehe er sagte: »Um Freundschaften zu schließen.«
    »Und kann jeder ein Blutsbruder werden?«
    Colchester schwieg so lange, dass Delamere schon glaubte, die Frage wiederholen zu müssen. Doch schließlich sagte sein Nachbar: »Ich nehme es an.«
    »Ich habe da eine Idee«, sagte Delamere und beugte sich, auf seine Ellbogen gestützt, über den Tisch. »Wenn wir in diesem Teil des Landes Blutsbrüderschaft mit den Massai schließen – das heißt mit denen, die als Hirten für uns arbeiten –, ob sie dann wohl aufhören würden, unsere Rinder zu stehlen?«
    Colchesters Tasse verharrte auf ihrem Weg zu seinem Mund. »Nein«, sagte er.
    »Warum denn nicht?«, fragte Delamere enttäuscht. »Ich habe gelesen, dass Lugard vor vielen Jahren auf diese Weise die Mithilfe der Stämme gewonnen hat.«
    »Ein
Olaiguenani
«, erwiderte Colchester. »Nur wenn es ein
Olaiguenani
ist, mit dem man Blutsbrüderschaft schließt.«
    Delamere nickte. »Verstehe.«
    Er wusste von der Rolle, die der
Olaiguenani
bei den Massai spielte. Tatsächlich kannte er die Massai recht gut, wenn auch nicht in dem Maße wie sein Nachbar. Es leuchtete ein, einen
Olaiguenani
in das Blutritual mit einzubeziehen, da er den stärksten Einfluss auf die
Moran
hatte.
    »Wieso unterhalten Sie sich nicht einmal mit den
Olaiguenani
in der Gegend? Um zu hören, was die davon halten. Vielleicht stimmen sie ja zu.«
    Colchester nickte bedächtig und trank seinen Tee.
    Delamere begeisterte sich immer mehr für sein Vorhaben, als er erkannte, dass sein Nachbar die Überlegungen für würdig erachtete. »Wenn wir unseren Viehbestand

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