Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
Vom Netzwerk:
geschafft worden, in dem unbewussten Eindrucke, ihrem Quälgeiste werde es schwerer fallen, mit seinem Angriffe durch die Steinwände als durch die Laubdächer der Hütten zu dringen. Das Gemach, in welches Duncan mit seinem Führer zuerst eintrat, war ausschließlich der Bequemlichkeit der Kranken gewidmet. Er näherte sich ihrem Lager, das von Weibern umgeben war, in deren Mitte Heyward zu seiner Überraschung den vermissten Freund David entdeckte.
    Ein einziger Blick überzeugte den vorgeblichen Arzt, dass die Kranke der Hilfe der Heilkunst bereits entrückt sei. Sie lag in einer Art Lähmung, gleichgültig gegen ihre ganze Umgebung, und schien zum Glücke ihre Leiden nicht zu empfinden. Heyward war es keineswegs unlieb, dass er seine Gaukeleien an einem Wesen üben sollte, das sich viel zu schlecht befand, um an ihrem Erfolg oder Misslingen noch Interesse zu nehmen. Der leichte Gewissensskrupel, den sein vorgehabter Betrug in ihm erregt hatte, war alsbald beschwichtigt, und er begann eben seine Gedanken zu sammeln, um seine Rolle mit gebührendem Nachdruck zu spielen, als er fand, dass ein anderer seiner Geschicklichkeit zuvorkommen und die Gewalt der Musik erproben wollte.
    Gamut, der bereit gewesen war, seinen Geist zu einem Gesang zu erheben, als die neuen Ankömmlinge eintraten, zog nach augenblicklichem Aufschub einen Ton aus seiner Pfeife und begann eine Hymne, die Wunder gewirkt haben würde, wenn der feste Glaube an ihre Wirksamkeit hier von Belang hätte sein können. Man ließ ihn zu Ende singen, da die Indianer seine vermeintliche Geistesschwäche schonten, und dem jungen Soldaten der Verzug zu gelegen kam, um die geringste Unterbrechung zu wagen. Die letzte hinsterbende Kadenz klang eben in Duncans Ohren, da fuhr er erschreckt zur Seite, denn er hörte dieselben Strophen hinter sich mit einer Stimme wiederholen, die, nur halb menschlich, wie aus einem Grabe herauftönte. Er sah um sich und erblickte das zottige Untier in einem schattigen Winkel der Höhle, auf den Hinterbeinen sitzend, wo es seinen Leib in der unruhigen Weise dieser Tiere rastlos hin und her wiegte und mit dumpfem Brummen Laute, wo nicht Worte wiederholte, die mit der Melodie des Sängers eine entfernte Ähnlichkeit hatten.
    Die Wirkung eines so unerwarteten Echos auf David lässt sich leichter denken als beschreiben. Er öffnete die Augen weit, als ob er an ihrer Wirklichkeit zweifelte, und seine Stimme verstummte augenblicklich vor Erstaunen. Ein tief durchdachter Plan, Heyward wichtige Mitteilungen zu machen, ward aus seinem Gedächtnis durch ein Gefühl vertrieben, das so ziemlich der Furcht glich, von ihm aber gerne für Bewunderung gehalten wurde. Unter solchen Einflüssen rief er laut: »Sie erwartet Euch! – Sie ist in der Nähe!«, und rannte eilig zur Höhle hinaus.

25
Snug: Habt ihr des Löwen Rolle aufgeschrieben?
Wenn ja, so gebt sie mir, ich studiere sehr schwer ein.
Quince: Ihr könnt sie aus dem Stegreif sprechen, dürft nur brüllen.
WILLIAM SHAKESPEARE
    Es lag eine seltsame Mischung von Komischem und Feierlichem in dieser Szene. Das Tier setzte seine wiegenden Bewegungen wie es schien mit unermüdlicher Beharrlichkeit fort, obgleich sein possierlicher Versuch, Davids Melodie nachzuahmen, aufhörte, sobald dieser das Feld verlassen hatte. Gamuts Worte waren, wie wir gesehen, Englisch gesprochen worden, und Duncan glaubte irgendeinen verborgenen Sinn darin zu ahnen, obgleich kein Gegenstand seiner Umgebung ihm die Anspielung enthüllen half. Jeder weiteren Vermutung hierüber setzte indes der Häuptling alsbald ein Ziel, indem er an das Lager der Kranken trat und die ganze weibliche Gruppe, die sich hier zusammengedrängt hatte, um Zeuge von der Kunst des Fremden zu sein, hinwegwinkte. Wenn auch mit Widerstreben, so gehorchten die Frauen dennoch sogleich, und als das leise Echo aufgehört hatte, welches längs des hohlen, von der Natur gebildeten Ganges von dem Schließen der fernen Türe her ertönte, deutete er auf seine bewusstlos daliegende Tochter und sprach:
    »Jetzt zeige mein Bruder seine Kunst!«
    So unumwunden aufgefordert, seinen angenommenen Beruf auszuüben, musste Heyward fürchten, der geringste Verzug möchte verderblich werden. Er bemühte sich also, seine Gedanken zu sammeln, und schickte sich an, jene Beschwörungsweise und die seltsamen Gebräuche in Anwendung zu bringen, unter welchen die indianischen Zauberkünstler ihre Unwissenheit und Unmacht zu verbergen gewohnt sind. Ohne Zweifel aber

Weitere Kostenlose Bücher