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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
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Jahren erlebt, wie sie dem Menschen nur selten vergönnt wird. Seine Gestalt, einst aufrecht und stolz gleich der Zeder, wankte jetzt unter der Bürde von mehr als einem Jahrhundert. Der leichte, elastische Tritt des Indianers war bei ihm verschwunden: Mühsam und beschwerlich konnte er nur Zoll für Zoll von seinem Wege zurücklegen. Sein dunkles, runzelvolles Gesicht bildete einen seltsamen, wilden Kontrast mit den langen, weißen Locken, die über seine Schulter fielen und in ihrer Fülle verkündeten, dass vielleicht Generationen hingegangen waren, seit sie zum letzten Mal abgeschnitten worden.
    Der Anzug dieses Patriarchen – denn so konnte man ihn in Betracht seines hohen Alters, seiner großen Verwandtschaft unter dem Volke und seines Einflusses mit allem Fug nennen – war reich und Ehrfurcht gebietend, obgleich der einfachen Sitte des Stammes ganz angemessen. Seine Bekleidung bestand aus den schönsten Fellen, die man ihres Pelzes beraubt hatte, um Raum für eine sinnbildliche Darstellung seiner Kriegstaten in vergangenen Zeiten zu gewinnen. Seine Brust war überdeckt mit Denkmünzen, einige von massivem Silber, wenige sogar von Gold, Geschenke, die er im Laufe seines langen Lebens von verschiedenen christlichen Herrschern empfangen hatte. Er trug ferner Armbänder und Spangen um die Knöcheln der Füße aus demselben Metall. Sein Haupt, auf welchem ringsumher das Haar frei wuchs, da er so lange schon das Kriegsleben verlassen hatte, umschloss eine Art Diadem von Silber, mit minder wertvollen aber blinkenderen Zierraten geschmückt, aus welchen drei glänzende Straußenfedern niederwallten und in ihrem tiefen Schwarz einen auffallenden Kontrast mit seinem schneeweißen Lockenhaar bildeten. Sein Tomahawk war mit Silber beinahe überdeckt, und der Griff seines Messers schimmerte wie ein Horn von lauterem Golde.
    Sobald sich die erste freudige Aufregung über das unerwartete Erscheinen dieses verehrten Mannes ein wenig gelegt hatte, hörte man den Namen »Tamenund« von Mund zu Mund flüstern. Oft hatte Magua den Ruhm dieses weisen und gerechten Delawarenhäuptlings preisen hören; einen Ruhm, der soweit ging, dass man ihm die seltene Glücksgabe geheimen Umgangs mit dem großen Geiste zuschrieb, eine Meinung, die seinen Namen sogar, mit geringer Veränderung, als den vermeintlichen Schutzheiligen eines großen Reiches bis auf die weißen Usurpatoren seines alten Gebiets gebracht hat. Der Huronenhäuptling eilte daher hastig aus dem Gedränge hervor, nach einer Stelle, von wo aus er die Züge des Mannes näher ins Auge fassen konnte, dessen entscheidende Stimme einen so wesentlichen Einfluss auf seine eigene Angelegenheit haben sollte.
    Die Augen des Geistes waren geschlossen, als wären sie müde, das selbstsüchtige Treiben menschlicher Leidenschaft so lange mitangesehen zu haben. Die Farbe seiner Haut war verschieden von dem Aussehen der meisten Indianer um ihn her; sie war tiefer und dunkler, was von den feinen labyrinthischen Umrissen vieler verschlungener und doch regelmäßiger Figuren herrühren mochte, die durch Tätowieren seinem ganzen Körper eingezeichnet waren. Ungeachtet der in die Augen fallenden Stellung des stumm beobachtenden Huronen ging er an Magua vorüber, ohne ihn zu beachten, und schritt, auf seine ehrwürdigen Begleiter gestützt, der erhöhten Stelle zu, wo er sich mit der Würde eines Monarchen und der Miene eines Vaters mitten unter seinem Volke niederließ.
    Nichts ging über die Ehrfurcht und Liebe, womit dieser unerwartete Besuch, der eher einer anderen Welt anzugehören schien, von dem Volke aufgenommen ward. Nach einer anstandsvollen Pause erhoben sich die angesehensten Häuptlinge, traten vor den Patriarchen und legten ehrerbietig seine Hände auf ihre Häupter, als wollten sie seinen Segen erbitten. Die jüngeren Männer begnügten sich, sein Kleid zu berühren oder sich ihm nur zu nähern, um in derselben Luft mit dem so betagten, gerechten und tapferen Manne zu atmen. Aber nur die ausgezeichnetsten jungen Krieger wagten das Letztere zu tun: Die große Masse der Versammelten fühlte sich glücklich genug, auch nur die Erscheinung eines so hochverehrten und innig geliebten Mannes schauen zu dürfen. Sobald dieser Tribut der Zuneigung und Ehrfurcht dargebracht war, traten die Häuptlinge wieder auf ihre Plätze zurück und tiefes Schweigen herrschte in dem ganzen Lager.
    Bald aber erhoben sich einige junge Krieger, die von einem der betagten Begleiter Tamenumds in der

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