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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
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Zweck voraussetze, als Bedingungen zur Übergabe vorzuschlagen. Auf der anderen Seite suchte Heyward dem französischen General Äußerungen zu entlocken, aus denen sich auf die in dem aufgefangenen Briefe enthaltenen Entdeckungen hätte schließen lassen. Keiner von beiden erreichte jedoch seinen Zweck; und nach einer längeren und fruchtlosen Besprechung entfernte sich Duncan mit einer vorteilhaften Meinung von der Artigkeit und den Talenten des feindlichen Anführers, aber ohne Aufschlüsse über den eigentlichen Zweck seiner Sendung erhalten zu haben. Montcalm begleitete ihn bis an die Türe seines Zeltes und wiederholte seine Einladung an den Kommandanten des Forts, mit ihm auf einem offenen Platze zwischen beiden Heeren zu einer unmittelbaren Besprechung zusammenzutreffen.
    Sie trennten sich, und Duncan kehrte unter gleicher Begleitung wie zuvor an die Vorposten der Franzosen zurück, von wo er sich sogleich in das Fort und in das Quartier seines Befehlshabers begab.

16
Eh’ Ihr zum Kampfe gehet, lest den Brief.
WILLIAM SHAKESPEARE
    Major Heyward fand Munro allein mit seinen Töchtern. Alice saß auf seinem Knie und teilte die grauen Haare des alten Kriegers mit ihren zarten Fingern, und als er über ihre Tändelei die Stirne zu runzeln schien, drückte sie ihre Rosenlippen auf das gefurchte Haupt, um den scheinbaren Unmut zu beschwichtigen. Cora saß neben ihnen, eine ruhige und heitere Zuschauerin, indem sie die kindischen Bewegungen ihrer jüngeren Schwester mit jener Art von mütterlicher Zärtlichkeit betrachtete, die ihre Liebe zu Alice so eigentümlich bezeichnete. Nicht bloß die Gefahren, die sie überstanden hatten, sondern auch die zukünftigen, die sie noch bedrohten, schienen in diesem harmlosen Familienkreise vergessen. Es war, als ob sie den kurzen Waffenstillstand benützen wollten, um sich für einen Augenblick dem Ergusse der edelsten Zärtlichkeit hinzugeben. Die Töchter vergaßen ihre Befürchtungen, der Veteran seine Sorgen in der Sicherheit des Augenblicks. Duncan, welcher in dem Eifer, von seiner Sendung zu berichten, unangemeldet eingetreten war, blieb einige Augenblicke ein unbemerkter Zuschauer bei einer Szene, die ihn entzückte. Bald aber erblickte das lebhafte, bewegliche Auge Alices seine Gestalt in einem Spiegel, sprang errötend von ihres Vaters Knie auf und rief mit lauter Stimme:
    »Major Heyward!«
    »Was soll der Junge?«, fragte ihr Vater, »ich schickte ihn zu dem Franzmann ins Lager, um ein wenig mit ihm zu schwatzen. Ha! Sir, Sie sind jung und flink! Entfernt Euch, Ihr Schelme! Hat der Soldat nicht Beschwerden genug, muss er auch noch das Lager voll solcher Schwätzerinnen haben, wie Ihr seid?«
    Alice folgte lächelnd ihrer Schwester, welche sie aus dem Zimmer führte, wo man ihre Gegenwart nicht länger wünschte. Munro schritt, statt den jungen Mann nach dem Ergebnis seiner Sendung zu fragen, einige Augenblicke in dem Zimmer auf und nieder, die Hände auf dem Rücken und das Haupt zu Boden gekehrt, als ob er in tiefes Nachdenken versunken wäre. Endlich erhob er seine Augen, die in dem Ausdruck väterlicher Zärtlichkeit erglänzten, und rief:
    »Es sind ein paar köstliche Mädchen, Heyward, auf die sich ein Vater was zugute halten darf.«
    »Sie wollen, hoffe ich, gewiss nicht erst meine Meinung über Ihre Töchter kennenlernen, Obrist Munro?«
    »Es ist wahr, Junge, ja«, unterbrach ihn der ungeduldige Alte. »Sie wollten mir Ihr Herz am Tage Ihrer Ankunft umständlicher öffnen, und ich glaubte, es zieme sich für einen alten Soldaten nicht, von Hochzeitfreuden und Hochzeitscherzen zu sprechen, wenn die Feinde seines Königs sich als ungebetene Gäste bei dem Feste einfinden könnten! Aber es war Unrecht von mir, Duncan! Junge, es war Unrecht, und ich bin jetzt bereit zu vernehmen, was Sie mir zu sagen haben.«
    »So viel Freude mir Ihre Versicherung macht, teuerster Herr, so habe ich Ihnen jetzt eine Botschaft von Montcalm –«
    »Lasst den Franzmann mit seinem ganzen Heere zum Teufel gehen!«, rief der ungestüme Veteran. »Er ist noch nicht Meister von William Henry und soll es auch nie werden, sofern Webb seine Schuldigkeit tut. Nein, Sir, dem Himmel sei Dank, wir sind noch nicht so in der Klemme, dass Munro nicht einen Augenblick seinen häuslichen Angelegenheiten widmen könnte. Ihre Mutter war das einzige Kind meines Busenfreundes, Duncan, und ich will Sie jetzt anhören, wenn auch alle Ritter des Ludwigsorden vor dem Ausfalltor stünden mit ihrem

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