Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Duncan seine Übersetzung beendigt hatte; »aber mein königlicher Gebieter hat ebensoviele und ebenso getreue Truppen.«
»Die aber zum Glück für uns nicht bei der Hand sind«, entgegnete Montcalm, ohne in seinem Eifer auf den Dolmetscher zu warten. »Es gibt ein Kriegsgeschick, dem sich der tapfere Mann mit demselben Mute unterwerfen muss, mit dem er den Feinden die Stirne bietet.«
»Hätte ich gewusst, dass Monsieur de Montcalm des Englischen so mächtig ist, so hätte ich mir die Mühe eines so unvollkommenen Verdolmetschens erspart«, versetzte Duncan empfindlich und trocken, indem er sich schnell seines neulichen Intermezzos mit Munro erinnerte.
»Verzeihen Sie, mein Herr«, entgegnete der Franzose, indem eine leichte Röte über seine dunkle Wange flog. »Es ist ein großer Unterschied zwischen dem Sprechen und dem Verstehen einer fremden Sprache, Sie werden daher die Gefälligkeit haben, mir auch ferner Ihren Beistand nicht zu entziehen.« Dann fuhr er nach einer Pause fort: »Diese Berge hier machen es uns sehr bequem, ihre Werke zu rekognoszieren, meine Herren, und ich kenne vielleicht ihren schwachen Zustand so gut als sie selbst.«
»Fragen Sie den französischen General, ob seine Gläser bis an den Hudson reichen!«, sprach Munro mit Stolz; »und ob er weiß, wann und wo Webbs Heer erwartet werden darf.«
»General Webb mag sein eigener Dolmetscher sein«, versetzte der schlaue Montcalm, indem er mit diesen Worten Munro einen offenen Brief hinhielt; »Sie werden daraus ersehen, mein Herr, dass seine Bewegungen meinem Heere nicht eben viel in den Weg legen werden.«
Der Veteran ergriff das dargebotene Papier, ohne zu warten, bis Duncan Montcalms Worte verdolmetscht hatte, mit einer Heftigkeit, welche verriet, wie wichtig ihm sein Inhalt sein müsse. Während sein Auge das Schreiben überlief, ging seine Miene plötzlich von dem Ausdruck militärischen Stolzes in den des tiefsten Kummers über. Seine Lippe begann zu beben, das Papier entfiel seiner Hand und das Haupt sank ihm auf die Brust, wie einem Manne, dessen Hoffnungen ein Schlag vernichtet hat. Duncan hob den Brief auf und ohne die Freiheit, die er sich nahm, zu entschuldigen, warf er einen Blick auf dessen grausamen Inhalt. Ihr gemeinschaftlicher Oberer ermunterte sie nicht nur nicht zum Widerstande, sondern riet ihnen sogar selbst, sich unverzüglich zu ergeben, indem er mit dürren Worten als Grund anführte, es sei ihm durchaus unmöglich, ihnen auch nur einen einzigen Mann zu Hilfe zu senden.
»Hier findet keine Täuschung statt!«, rief Duncan, indem er den Brief sorgfältig außen und innen untersuchte. »Er trägt Webbs Siegel, und es muss der aufgefangene Brief sein.«
»Der Mann hat mich verraten!«, rief endlich Munro bitter aus, »er hat das Haus eines Mannes entehrt, dem Schande bisher unbekannt war, und Schmach über meine grauen Haare gebracht!«
»Sagen Sie das nicht!«, rief Duncan; »noch sind wir Herren des Forts und unserer Ehre. Wir wollen unser Leben um einen Preis verkaufen, der selbst unseren Feinden zu teuer erscheinen soll!«
»Sohn, ich danke dir!«, rief der alte Mann, der wie aus einer Betäubung erwachte. »Mit einem Male hast du Munro zu seiner Pflicht zurückgerufen. Wir wollen heim, und unsre Gräber hinter jenen Bollwerken graben!«
»Messieurs«, sprach Montcalm mit edelmütiger Teilnahme, einen Schritt vortretend, »Sie kennen Louis de St. Veran wenig, wenn Sie ihn für fähig halten, diesen Brief zur Demütigung tapferer Soldaten und zur Befleckung seines eigenen Rufes benützen zu wollen. Hören Sie meine Bedingungen, ehe Sie mich verlassen.«
»Was sagt der Franzose?«, fragte der Veteran finster, »macht er sich einen Verdienst daraus, einen Kundschafter mit einem Zettel aus dem Hauptquartier aufgefangen zu haben? Sir, er täte besser, die Belagerung aufzuheben, und sich vor Fort Edward zu legen, wenn er einen Feind mit Worten einzuschüchtern wünscht.«
Duncan erklärte ihm, was Montcalm gesagt hatte.
»Monsieur de Montcalm, wir sind bereit, Sie anzuhören«, fügte der Veteran hinzu, als Duncan geendet hatte.
»Das Fort zu behaupten, ist jetzt unmöglich«, sprach sein hochsinniger Gegner; »das Interesse meines Gebieters fordert, dass es zerstört werde; was aber Sie selbst und Ihre wackeren Kameraden betrifft, so soll Ihnen kein Vorrecht, das dem Soldaten teuer ist, verweigert bleiben.«
»Unsere Fahnen?«, fragte Heyward.
»Nehmen Sie sie nach England, um sie Ihrem Könige zu
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