Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
fest. »Nein! Nein! NEEIIIN!«
»Mach schnell«, sagte Afdza, dessen Sicht sich durch Tränen getrübt hatte. Er hätte sich noch einen letzten Kuss gewünscht, aber das war nun nicht mehr möglich. »Die Vasconen haben sicherlich die Schreie gehört.« Er machte Arima von sich los, die den Kopf hin und her warf und schluchzte und weiterhin ihre Ablehnung gegen das Schicksal und gegen Afdzas Opfergang in die Nacht schrie. Ealhwine zog, Afdza schob, dann lag Arima quer über Ealhwines Sattel.
»Los!«, rief Afdza.
»Alles Gute«, wiederholte Ealhwine den Abschiedsgruß, den er Afdza schon einmal gegeben hatte.
»Nein!«, schrie Arima und wand sich. »Lass mich bei dir bleiben. Afdza. Nein!«
Afdza schlug Rolands Pferd auf die Hinterhand. Es machte einen Satz und rannte hinter Ealhwines Gaul her.
»Leb wohl, Bruder!«, flüsterte Afdza. Er sah Roland hinterher, bis die Bäume und die Dunkelheit ihn, Ealhwine und die Liebe seines Lebens verschluckten. Dann lehnte er sich gegen einen Baumstamm und versuchte, sein Zittern zu beruhigen. Das Schlimmste war überstanden. Er war gestorben. Jetzt lag alles in Gottes Hand.
Er versuchte, zu diesem Gott zu beten, aber er wusste nicht, wie er ihn anreden sollte. War der alleinige Gott der Mauren seiner? War es Jesus Christus, unter dessen Namen er getauft worden war, auch wenn er das über Jahre vergessen hatte? War es Wodan, der die tapfersten Krieger zu einem ewigen Fest an seine Tafel einlud?
Am Ende betete er, als würde er zu Arima sprechen. Mein Stern, sagte er in Gedanken, du hast mir deine Liebe geschenkt. Ich dachte, sie würde mich durch das Leben tragen, aber jetzt hilft sie mir, aufrecht zu sterben. Bleib bei Roland, mein Stern, er wird dich fast genauso lieben, wie ich dich geliebt habe, und irgendwann wirst du ihn hoffentlich fast genauso lieben, wie du mich jetzt liebst. Wenn wir vom Leben nichts Schlechteres vorgelegt bekommen, als dass wir beinahe vollkommen lieben und beinahe vollkommen geliebt werden, dann gehören wir schon zu den Glücklichen. Vollkommenheit ist nur für den Augenblick. Manchmal muss man das flackernde Feuer gegen die Herdwärme eintauschen, und manchmal muss eine große Liebe unerfüllt sein, damit sie groß bleibt. Du hast mir die schönsten Augenblicke meines Lebens gegeben. Ich gehe leicht in den Tod, weil ich weiß, dass ich das Beste auf Erden erleben durfte. Ich danke dir.
Und weil er es als richtig empfand, fügte er hinzu: » Allāhumma ṣalli ‛alā rasūlika wa-‛abdika – o Herr, sprich deinen Segen über deinen Diener.«
Er kletterte den Hang wieder hinunter, Rolands Helm auf dem Kopf, Durendal am Gürtel. Den Wachposten, die ihn anriefen, winkte er nur von Weitem zu und ging weiter, ohne anzuhalten, und als sie ihn fragten, ob er die Schreie auch gehört habe, sagte er über die Schulter: »Vielleicht kam es aus dem Lager der Vasconen. Wer weiß, was die Hunde dort treiben.«
Rolands Leibwächter am Kochfeuer machten Anstalten, aufzuspringen, als sie ihn am Rand des Feuerscheins vorbeischreiten sahen. Afdza tat so, als müsste er husten, und krächzte: »Bleibt sitzen. Es ist alles in Ordnung. Ich habe Hunald aus dem Lager gebracht.«
Er sah, wie die Wächter zögerten, und zwang sich, scheinbar gelassen weiterzuschlendern. Die Wachen ließen sich wieder nieder. Afdza nahm an, dass sie glaubten, »Hunald« habe Roland zu einem letzten Treffen mit seiner Verlobten geführt. Er hatte nicht umsonst die Ausrede mit der Botschaft Arimas gewählt; er hatte darauf gesetzt, dass sie sowohl Roland neugierig machen als auch die Wächter aus Diskretion zum Wegschauen bringen würde.
Es gab keine weiteren Zwischenfälle mehr, bis er das Zelt Rolands erreichte. Er schlug die Zeltklappe auf, um drinnen auf den Tod zu warten. Von Osten her kroch bereits das Grau der Dämmerung hinter den Baumwipfel hervor und löschte die Sterne über dem Talkessel aus.
Als Afdza ins Zelt geschlüpft war, blieb er wie angewurzelt stehen. Vor ihm stand Bischof Turpin. Und er hatte den Olifant in der Hand.
Der Bischof lächelte. Dann reichte er ihm das Hifthorn. »Hallo, Roland«, sagte er und verneigte sich. »As-salamu ’alaykum.«
Als so viel Licht am Himmel war, dass man sich zurechtfinden konnte, griffen die Vasconen an. Sie hatten es eilig, weil ihr Hass auf die Franken und die gestrigen Verluste danach schrien, die im Tal eingeschlossenen feindlichen Krieger zu töten. Ihre Scharführer waren an vorderster Stelle. Sie hatten nur ein
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