Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
innerlich warm und leicht. Als der Gesang der beiden so unterschiedlichen Geistlichen in der Kirche sie erreichte, sagte Roland leise:
»Gott, sie ist so eine Schönheit.«
»Wer?«
»Arima Garcez.«
»Tatsächlich?«, fragte Remi, dessen Jagdbeute kleine, dralle Frauen waren, die ihr blondes Haar in Zöpfen um den Kopf gewunden trugen.
»Du hast doch keine Ahnung«, sagte Roland.
»Es gibt noch jemanden, der die Augen nicht von der Herrin von Roncevaux lassen kann. Oder besser gesagt: das Auge.«
»Afdza Asdaq?«
Remi nickte. Roland starrte einige Momente lang überrascht vor sich hin. Dann schien es, als schüttle er einen Gedanken ab, der sonst in die Ungewissheit geführt hätte. »Was hältst du von ihm?«, fragte er.
»Du meinst: Was würde ich tun, wenn ich ihm auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen würde?«, erkundigte sich Remi.
»Weshalb solltest du das tun? Die Gespräche hier während der Reichsversammlung sind Allianzgespräche. Es geht um den Frieden, nicht um den Krieg.«
»Ganz egal, worum es geht – ich bin bereit dazu!« Remi machte ein kriegerisches Gesicht.
Roland lächelte. Seltsamerweise fühlte er sich gut, obwohl er beim zweiten Kampf Afdza unterlegen war. Er empfand es nicht als Schande. Er dachte an Arima, über die er mittlerweile Erkundigungen eingezogen hatte. Er fühlte sich zu ihr hingezogen, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte, und er hatte das Gefühl, dass auch sie etwas für ihn empfand. Im Augenblick war sie unerreichbar, weil sie die Herrin von Roncevaux war. Karl würde nicht einwilligen, wenn er, Roland, ihn bat, sie zur Frau nehmen zu dürfen. Die Neutralität Roncevaux’ garantierte das Gelingen der Verhandlungen. Aber irgendwann würde der Friede gefestigt sein, und dann … Ein Mann mochte ungeduldig sein, wenn es darum ging, eine Bettgefährtin für die Nacht zu finden, aber wenn es um die Liebe ging, dann war Geduld eine Tugend. Liebe konnte gefährlich werden, wenn man sich unbedacht in sie hineinstürzte. Er, Roland, würde sich als Mann erweisen und die nötige Geduld aufbringen, das schwor er sich. Die Zuneigung Arimas, derer er sich sicher war, würde dadurch nur umso mehr wachsen. Gott, wie sie da plötzlich aufgetaucht war während des Zweikampfs! Sie war ihm erschienen wie eine der alten Göttinnen, an die die Sachsen noch glaubten. Seine Göttin.
Und auch die von Afdza Asdaq?
Obwohl er ein Krieger war, hatte er sich schon immer den Frieden mehr gewünscht als den Krieg. Nun hatte er zum ersten Mal einen fassbaren Grund für diesen Wunsch. Er reichte Remi den Weinbecher und sah zum Herrenhaus hinüber, in dessen Wohntrakt irgendwo Arima Garcez lag. War sie noch immer wach? War sie wieder eingeschlafen? Träumte sie von ihm – oder von Afdza Asdaq?
Morgen würde er sie zu einem Ausritt einladen. Schreiben zu lernen war faszinierend, aber Roland ahnte, dass er sie mit dem, was er bisher gelernt hatte, nicht beeindrucken konnte. Doch mit seinen Reiterkunststückchen würde er sie begeistern. Er würde zwar eine ganze Horde Anstandswächter mitnehmen müssen, aber sei’s drum! – er würde mit Arima zusammen sein. Und was Remis Vermutung betraf, dass Afdza sich ebenfalls für Arima interessierte – nun, das ganze Leben war ein Wettkampf, nicht wahr? Er war dem Mauren einmal unterlegen. Das würde nicht noch einmal geschehen, ganz gleich, wie viel Freundschaft zwischen ihm und Afdza war!
Morgen würde ein guter Tag werden!
König Karl kniete vor dem Kruzifix in einer Ecke des Wohntrakts, die als Kapelle diente. Er versuchte sich auf sein Gebet zu konzentrieren. Es gelang ihm nur unvollständig. Er war überzeugt davon, dass das, was er morgen verkünden würde, richtig war. Ebenso gut wusste er aber auch, dass es Träume zerstören würde, vor allem diejenigen des einen Menschen, der ihm so teuer war, als wäre sie eine seiner Töchter. Er hatte Arima und Afdza Asdaq beobachtet. Man musste nicht einmal ein besonders guter Beobachter sein, um zu erkennen, was die beiden füreinander empfanden. Nun, für Glück oder Unglück des Mauren trug er keine Verantwortung. Für Arima jedoch … Aber er war der König, und seine Aufgabe war es nicht, einzelne Menschen glücklich zu machen, sondern ein Reich zu erschaffen und zu erhalten. Ein Pakt mit den ungläubigen Mauren kam nicht infrage. Gott selbst, hatte Abt Styrmi erklärt, stand hinter der Botschaft, die die Gesandtschaft des Statthalters von Medina Barshaluna bedeutete: der Botschaft,
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