Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
Suleiman ihm noch einmal nach. »Sidi?«
»Ja, Herr?«
»Als du den Ring auf das Brett geworfen hast, musst du eine Figur verschoben haben. Mein König ist gerettet.«
»So soll es sein«, sagte Afdza und dachte bei sich: Gott helfe mir, dass es mir auch gelingt, die Königin zu retten … und mit ihr das ganze Shatranjbrett.
PATRIS BRUNNA
Turpin hatte den Rauch des Feuers schon von Weitem wahrgenommen. Jetzt kauerte er in einer Hecke, vielleicht dreißig Schritt vom Lagerplatz entfernt, und versuchte sich darüber klar zu werden, was er tun sollte. Es gab zwei Optionen: das Lager mit den beiden Kriegern einfach zu umgehen – und dabei zu riskieren, dass sie ihm später in den Rücken fielen – oder gleich in die Offensive zu gehen und sie seinerseits zu überfallen. Der Sternenschein war hell genug, es zu wagen; außerdem war der eine der beiden, der Wache halten sollte, eingenickt. Turpin hatte ihm eine Weile zugesehen, wie er gegen den Schlaf gekämpft und schließlich verloren hatte. Der Bischof steckte schon eine ganze Weile in dieser Hecke.
Was würde ein Franke tun? Keine Frage: Er würde zuerst den beiden die Kehlen durchschneiden und danach Fragen stellen. Er selbst war ebenfalls der Ansicht, dass im Zweifelsfall Angriff die beste Verteidigung war, schließlich war er ja auch mütterlicherseits von fränkischer Abstammung. Aber irgendetwas stimmte hier nicht. Er kam nur nicht drauf, was es war.
Vielleicht sah er nur Gespenster. Dass er vor ein paar Tagen so unverhofft aufgeflogen war, gerade als es interessant zu werden begann, und er ein mittleres Blutbad hatte anrichten müssen, um zu entkommen, hatte seine Zuversicht erschüttert. Aber wer hätte ahnen können, dass sich unter der kleinen Gruppe Krieger, zu der er sich gesellt hatte, ausgerechnet einer befand, dem er früher einmal im Kampf gegenübergestanden hatte und der ihn wiedererkannte? Nun – er, Turpin, hätte es ahnen müssen. Wozu war man ein Paladin, wenn man nicht stets auf der Hut war?
Was wiederum das Stichwort für sein Zögern war. Sollte er die beiden Schläfer überfallen, um auf Nummer sicher zu gehen? Was er in Erfahrung gebracht hatte, war zu wertvoll für Karl, als dass er riskieren durfte, dass die Botschaft den König nicht erreichte. Er kroch lautlos aus dem Gebüsch und huschte zum Lager hinüber.
Der Wächter würde einen leichteren Schlaf haben als sein Kamerad. Ihm würde er sich zuerst widmen müssen. Er war noch zwei, drei Mannslängen von ihm entfernt und lockerte das Messer im Gürtel. Er würde dem Mann von hinten den Mund zuhalten und dann die Kehle durchschneiden müssen, und innerlich wappnete er sich bereits für die Tat.
»Ts, ts«, zischte da eine Stimme in seinem Ohr. »Wie kann man nur so unhöflich sein und sich an fremde Leute anschleichen. Was du an deinen Rippen spürst, ist übrigens eine verdammt scharfe Klinge.«
Turpin erstarrte. Er hatte den Mann, der sich etwas abseits vom Lager versteckt haben musste, nicht wahrgenommen. Was nicht bedeutete, dass er sich nicht doch auf einen solchen Fall vorbereitet hatte.
»Und was du an deinen edelsten Teilen spürst, ist ebenfalls eine verdammt scharfe Klinge«, flüsterte er zurück. »Mir fehlt es vielleicht an Höflichkeit, aber dir fehlt es gleich an Eiern, wenn du das Messer nicht wegnimmst.«
Eine zweite Stimme sagte von dort, wo der Wächter scheinbar geschlafen hatte: »Ich werd verrückt. Das ist Turpin!«
Turpin starrte in das verblüffte Gesicht Rolands, der den schlafenden Wächter gespielt hatte. Dann schielte er über die Schulter zu dem Mann, der ihn aufgehalten hatte.
»Wenn es dir nichts ausmacht, behältst du dein Leben und ich meine Eier, Ehrwürden«, sagte Remi fröhlich.
»Du bist so hässlich wie ein Sachse«, erklärte Roland wenig später, als sie nebeneinander auf dem Lagerplatz saßen. Turpin hatte das schwach glimmende Feuer erstickt und dabei gemurmelt, dass man den jungen Burschen selbst noch beibringen musste, in einer windstillen, warmen Nacht wie dieser kein Feuer zu entfachen, weil man den Rauch meilenweit roch. In Wahrheit fühlte er eine seltsame Mischung aus Bedauern und Stolz – Bedauern, weil er anscheinend alt wurde, wenn zwei Grünschnäbel einen alten Haudegen wie ihn überlisten konnten, und Stolz, weil sich wieder einmal herausgestellt hatte, dass die beiden Grünschnäbel zu den Besten gehörten, die das Frankenreich hervorgebracht hatte.
»Das kommt daher, weil ich so aussehe wie ein Sachse«,
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