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Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Polizist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Winters
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hingekritzelten Korrekturen und Ausrufezeichen übersät ist. »Sie müssen zu Fahrstuhl B, und Fahrstuhl B ist … oje.«
    Meine Hände zucken an den Seiten. Wenn man mit Dr. Alice Fenton verabredet ist, sollte man eines nicht tun: zu spät kommen.
    »Ah ja. Dort entlang.«
    »Danke, Ma’am.«
    Dem mit schwarzem Permanentmarker beschrifteten und über die Rufknöpfe geklebten Schild zufolge geht Fahrstuhl B entweder nach oben – zur Onkologie, zur Spezialchirurgie, zur Apotheke – oder nach unten, zur Kapelle, zur technischen Abteilung und zur Leichenhalle. Ich steige aus, schaue auf meine Armbanduhr und eile den Gang entlang, vorbei an einer Abfolge von Büros, einem Vorratsschrank und einer kleinen schwarzen Tür mit einem weißen Christenkreuz darauf, und denke, Onkologie – denke, weißt du, was jetzt wirklich schrecklich wäre? Krebs zu haben.
    Doch dann stoße ich die dicken Metalltüren der Leichenhalle auf, und da ist Peter Zell, sein Körper liegt auf dem Tisch in der Mitte des Raumes, dramatisch von der gewölbten Batterie hundert Watt starker Autopsielampen angestrahlt. Und neben ihm steht die Chefpathologin des Staates New Hampshire und wartet auf mich. Ich strecke die Hand zum Gruß aus. »Guten Morgen, Doktor Fenton. Verzeihung, guten Tag. Hallo.«
    »Erzählen Sie mir was über Ihre Leiche.«
    »Ja, Ma’am.« Stumm lasse ich die ausgestreckte Hand wieder sinken, und dann stehe ich sprachlos da wie ein Idiot, denn Fenton ist hier, steht vor mir im grellweißen Licht der Leichenhalle, eine Hand auf dem vorderen Ende ihres schnittigen silbernen Instrumentenwagens wie die eines Kapitäns auf der Pinne. Sie starrt mich durch ihre berühmte kreisrunde Brille an und wartet mit einer Miene, die mir andere Detectives schon mehrmals beschrieben haben: eulenhaft, erwartungsvoll und konzentriert.
    »Detective?«
    »Ja«, sage ich erneut. »Okay.« Ich reiße mich zusammen und erzähle Fenton, was ich weiß.
    Ich erzähle ihr vom Tatort, von dem teuren Gürtel, dem fehlenden Handy des Opfers, dem nicht vorhandenen Abschiedsbrief. Während ich spreche, huscht mein Blick zwischen Fenton und den Dingen auf ihrem Wagen hin und her, dem Handwerkszeug der Pathologen: Knochensäge, Meißel und Schere, Reihen von Fläschchen für die Aufbewahrung diverser kostbarer Flüssigkeiten. Skalpelle in einem Dutzend verschiedener Größen und Schärfegrade, angeordnet auf sauberem weißem Tuch.
    Dr. Fenton hört mir schweigend und reglos zu, und als ich endlich verstumme, sieht sie mich weiterhin an, die Lippen geschürzt, die Stirn ganz leicht gefurcht.
    »Na schön«, sagt sie schließlich. »Also, was zum Teufel machen wir hier?«
    »Ma’am?«
    Fentons Haare sind stahlgrau und kurz, die Fransen laufen in einer präzisen Linie über ihre Stirn.
    »Ich dachte, dies wäre ein verdächtiger Todesfall.« Ihre Augen verengen sich zu zwei blitzenden Punkten. »Nichts von dem, was ich von Ihnen höre, ist ein Indiz dafür.«
    »Nun ja, nein«, stammle ich. »Kein Indiz per se.«
    »Kein Indiz per se ?«, wiederholt sie in einem Ton, der mir irgendwie überdeutlich bewusst macht, wie ungewöhnlich niedrig die Decke des Kellers ist und dass ich leicht gebeugt dastehe, um nicht mit der Stirn an die Deckenlampenbatterie zu stoßen, während Dr. Fenton mit ihren eins sechzig sehr aufrecht dasteht, den Rücken militärisch durchgedrückt, und mich hinter ihrer Brille hervor anstarrt.
    »Gemäß Titel LXII Kapitel 630 des Strafgesetzbuches von New Hampshire in der im Januar von Senat und Repräsentantenhaus in gemeinsamer Sitzung revidierten Fassung«, sagt Fenton, und ich nicke, nicke eifrig, um ihr zu zeigen, dass ich das alles kenne, ich habe die Akten aller Ebenen – Bund, Staat und Kommune – gelesen, aber sie fährt fort, »führt die Pathologie keine Autopsie durch, wenn sich am Tatort mit hinreichender Sicherheit feststellen lässt, dass der Tod infolge von Selbstmord eintrat.«
    »Richtig«, sage ich, murmle »ja« und »natürlich«, bis ich etwas erwidern kann. »Und ich bin zu dem Schluss gelangt, Ma’am, dass es sich um Fremdeinwirkung gehandelt haben könnte.«
    »Am Tatort gab es Anzeichen eines Kampfes?«
    »Nein.«
    »Anzeichen für gewaltsames Eindringen?«
    »Nein.«
    »Fehlende Wertsachen?«
    »Nun, der … äh … Er hatte kein Handy. Ich glaube, das habe ich schon erwähnt.«
    »Wer sind Sie noch mal?«
    »Wir haben uns offiziell noch nicht kennengelernt. Ich bin Detective Henry Palace. Ich bin

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