Der letzte Polizist: Roman (German Edition)
während wir beide kalte Kondenswolken ausatmen.
Es stimmt, was alle gesagt haben, er ist ein echter Brocken, groß, massiv und stämmig wie jemand, der früher Football gespielt hat. In seiner Größe ist Stahl, und er sieht aus, als könnte er rennen und springen, wenn es sein muss. Ein Tackling ausführen, wenn es sein muss. Toussaints Kopf ist wie ein Granitblock; vorspringender länglicher Kiefer, breite Stirn, die Haut hart und fleckig, als wäre sie ungleichmäßig verwittert.
»Ich bin Detective Henry Palace«, sage ich. »Ich bin Polizist.«
»Im Ernst?«, sagt er, und dann kommt er plötzlich mit einem großen Satz auf mich zu, schreit zweimal scharf auf und klatscht in die Hände, und ich zucke überrascht zurück und taste nach meinem Schulterhalfter.
Aber er ruft bloß seinen Hund. Toussaint hockt sich hin, und der Hund kommt angetrabt, ein schmuddeliges Geschöpf mit ungleichmäßig gelocktem weißem Fell.
»Hey, Houdini«, sagt er und breitet den Arm aus. »Hey, mein Junge.«
Houdini reibt sein kleines Gesicht an Toussaints fleischiger Handfläche, und ich versuche, mich am Riemen zu reißen, hole tief Luft, und der große Kerl schaut aus der Hocke belustigt zu mir hoch; er weiß Bescheid, das sehe ich – er durchschaut mich.
Im Innern ist das Haus hässlich und nichtssagend, schäbige, vergilbte Putzwände, jedes Dekor rein funktional: eine Uhr, ein Kalender, ein an den Türrahmen der Küche geschraubter Flaschenöffner. Der kleine Kamin ist mit Abfall gefüllt, leere Importbier-Flaschen – teures Zeug, wenn schon die Preise der billigen Marken vom Amt für Alkohol, Tabak, Schusswaffen und Sprengstoffe auf einundzwanzig Dollar neunundneunzig für ein Sechserpack festgesetzt sind und auf dem Schwarzmarkt noch viel höher liegen. Als wir vorbeigehen, rutscht eine Flasche Rolling Rock von dem Haufen und rollt klappernd über den Hartholzboden des Wohnzimmers.
»Also«, sage ich und hole ein blaues Buch und einen Kuli heraus. »Woher kennen Sie Peter Zell?«
Toussaint zündet sich eine Zigarette an und inhaliert langsam, bevor er antwortet: »Von der Grundschule.«
»Der Grundschule?«
»Broken Ground. Gleich hier die Straße rauf. Curtisville Road.« Er wirft seine Fugenpistole in einen Werkzeugkasten, schiebt den Werkzeugkasten mit dem Fuß unters zerschlissene Sofa. »Setzen Sie sich, wenn Sie wollen.«
»Nein, danke.«
Toussaint setzt sich ebenfalls nicht hin. Er stapft schwerfällig an mir vorbei in die Küche; Zigarettenqualm wabert um seinen Kopf wie Drachenrauch.
Auf dem Kaminsims steht ein maßstabsgetreues Modell des Kapitols von New Hampshire, fünfzehn Zentimeter hoch und mit allen Details: die weiße Steinfassade, die vergoldete Kuppel, der kleine Adler, der sich gebieterisch über der Spitze erhebt.
»Gefällt’s Ihnen?« Toussaint kommt wieder herein, die Finger um den Hals einer Flasche Heineken, und ich stelle das Modell rasch wieder hin. »Hat mein alter Herr gemacht.«
»Ist er ein Künstler?«
»Er ist tot«, sagt er, klappt die Kuppel auf, und ich sehe, dass sie innen ein Aschenbecher ist. »Aber ja, ein Künstler. Unter anderem.«
Er klopft seine Asche in die umgedrehte Kuppel des Kapitols ab, sieht mich an und wartet.
»Also«, sage ich. »Grundschule.«
»Ja.«
Toussaint zufolge waren er und Peter Zell von der zweiten bis zur sechsten Klasse die besten Freunde gewesen. Beide waren unbeliebt, Toussaint ein armes Kind, ein Kostenloses-Frühstück-Kind, das jeden Tag dieselben Klamotten aus dem Billigladen trug; Zell aus einer wohlhabenden Familie, aber schrecklich unbeholfen, empfindlich, ein geborenes Opfer. Also verbündeten sie sich, zwei kleine Sonderlinge, spielten Tischtennis im ausgebauten Keller der Zells, fuhren mit dem Fahrrad die Hügel ums Krankenhaus hinauf und hinunter, spielten Dungeons & Dragons in diesem Haus, genau dort, wo wir jetzt sitzen. Im Sommer fuhren sie die paar Kilometer zum Teich im Steinbruch an der State Street, hinter dem Gefängnis, zogen sich bis auf die Unterhosen aus, sprangen hinein, planschten herum und duckten sich gegenseitig im kalten Wasser unter.
»Sie wissen schon«, schließt Toussaint lächelnd und lässt sich sein Bier schmecken. »Was Kinder eben so machen.«
Ich nicke und schreibe, fasziniert von dem Bild meines Versicherungsmenschen als Kind vor meinem geistigen Auge: der bleiche Körper des Heranwachsenden, die dicke Brille, die sorgfältig am Rand des Teichs zusammengelegten Kleider – die junge Ausgabe
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