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Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Polizist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Winters
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die Kugel ihres Schädels gerissener Krater. Ich lehne mich an den Türpfosten und ringe nach Luft.
    »Also, Officer«, sagt Culverson, und McConnell sagt: »Ja, Sir?«
    »Reden Sie mit all diesen Trauerklößen.« Er reckt einen Daumen nach draußen, zum Büro. »Dann gehen Sie durchs Gebäude, Stockwerk für Stockwerk, fangen hier an und arbeiten sich nach unten vor.«
    »Ja, Sir.«
    »Sprechen Sie mit dem alten Knaben am Empfang. Jemand hat den Mörder reinkommen sehen.«
    »Ja, Sir.«
    »Wowie wowie wow«, sagt Dotseth mit einem kleinen Gähnen. »Eine ausgewachsene Ermittlung. Und das, wo wir noch – wie viel? sechs Monate? – haben. Ich bin echt beeindruckt.«
    »Es ist der Junge«, sagt Culverson, und da er jetzt auf den Knien liegt und den Teppich nach der ausgeworfenen Patronenhülse absucht, dauert es eine Sekunde, bis mir klar wird, dass er mich meint. »Er sorgt dafür, dass wir unsere Arbeit ordentlich machen.«
    Ich sehe einen Stummfilm in meinem Kopf, eine Frau, die eine Akte sucht, schlanke Finger, die über die Karteireiter wandern, das plötzliche Klicken, mit dem sich eine Tür hinter ihr öffnet. Sie dreht sich um – ihre Augen werden groß – bamm!
    »Lassen Sie den Manager aus, Officer McConnell. Den Kerl, der die Sache gemeldet hat. Mit dem rede ich.« Culverson blättert suchend in seinem Buch.
    »Gompers«, sage ich.
    »Gompers, richtig«, sagt er. »Möchtest du dabei sein?«
    »Ja.« Ich halte inne, beiße die Zähne zusammen. »Nein.«
    »Palace?«
    Ich fühle mich schlecht. In meinen Lungen bläht sich etwas auf, eine Art Druck, ein Horror, als hätte ich einen Ballon geschluckt, der mit etwas gefüllt ist, mit einer Art Gas, einem Gift. Mein Herz schlägt mir immer wieder gegen den Brustkorb wie ein verzweifelter Gefangener, der sich rhythmisch gegen die Betontür seiner Zelle wirft.
    »Nein, danke.«
    »Alles in Ordnung, mein Sohn?« Dotseth tritt einen Schritt von mir weg, als könnte ich ihm auf die Schuhe kotzen. McConnell hat sich hinter Naomis Körper geschoben und fährt mit den Fingern an der Wand entlang.
    »Sie müssen …« Ich fahre mir mit der Hand über die Stirn und merke, dass sie glitschig und feucht ist. Meine verletzte Augenhöhle pocht. »Fragen Sie Gompers nach den Akten in dieser Schublade.«
    »Natürlich«, sagt Culverson.
    »Wir brauchen Kopien von allem, was in dieser Schublade war.«
    »Klar.«
    »Wir müssen wissen, was fehlt.«
    »Hey, sehen Sie mal«, sagt McConnell. Sie hat die Kugel entdeckt. Sie pult sie aus der Wand hinter Naomis Schädel, und ich drehe mich um und fliehe. Ich stolpere den Flur entlang, finde die Treppe und springe sie hinunter, erst zwei, dann drei Stufen auf einmal, stoße die Tür mit dem Fuß auf, stürze in die Lobby und auf den Bürgersteig hinaus, ringe keuchend nach Atem.
    Bamm!
    Was dachte ich mir bei alledem, bei der ganzen Geschichte? Man betritt dieses Spiegelkabinett, man jagt diesen Hinweisen nach – ein Gürtel, ein angefangener Brief, eine Leiche, ein Bluterguss, eine Akte –, eins führt zum anderen, man steigt in dieses schwindelerregende Spiel ein und bleibt für immer dort unten, im Spiegelkabinett. Ich sitze hier oben am Tresen, weil ich meine übliche Nische nicht ertragen konnte, in der ich mit Naomi Eddes zu Mittag gegessen habe, in der sie mir von Peter Zells Geheimnissen erzählt hat, von seiner Sucht, seiner düsteren, flüchtigen, nicht ganz ernst gemeinten Fantasie, sich im McDonald’s auf der Main Street umzubringen.
    Die Musik, die aus der Küche des Somerset kommt, kenne ich nicht, und sie gefällt mir auch nicht. Stampfend und elektronisch, von Tasteninstrumenten geprägt, eine Menge schriller Piepser, Pfiffe und Heultöne.
    Meine Notizbücher liegen vor mir, sechs hellblaue Rechtecke in einer ordentlichen Reihe, wie Tarot-Karten. Schon seit einer Stunde starre ich unschlüssig auf die Einbände, außerstande, sie aufzuschlagen und die Geschichte meines Versagens zu lesen. Aber ich kann nichts dagegen machen, die Gedanken reißen nicht ab, eine Tatsache nach der anderen schlurft durch mein Gehirn wie eine trostlose Kolonne von Flüchtlingen, die mit ihrem Gepäck dahinstapfen.
    Peter Zell war kein Selbstmörder. Er wurde ermordet. Fenton hat es bestätigt.
    Naomi Eddes wurde ebenfalls ermordet. Ein Schuss in den Kopf, während sie nach Versicherungsakten suchte, jenen Akten, über die wir in der vergangenen Nacht gesprochen hatten.
    Sie saß am Fußende meines Bettes, bevor sie ging; sie wollte mir

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