Der letzte Regent: Roman (German Edition)
Explosion?«, fragte er. »Im Innern des Schiffes?«
Das Zerren zur Seite hörte auf, und das leere Rauschen im Mesh-Äther der Zerberus fand ein Ende. Myriaden Datenstimmen flüsterten wieder in den Netzen des Flaggschiffs, manche von ihnen lauter als die anderen, mit höherer Priorität. Eine der lautesten galt dem General und sprach allein zu ihm, mit Worten, die Xavius’ Mikromaschinen nicht verstanden.
»Es ist ein Angriff der Splitter-Leute, nicht wahr?«, vermutete er, und Zorn verdrängte seine Sorge. »Wollten sie die Zerberus zerstören? Aber …«
General Izzad riss ihn fast von den Beinen, als er ihn in die Liftkapsel zerrte.
Xavius stieß gegen die Wand und hielt sich fest, während die Kapsel schneller als sonst nach oben glitt. Herz und Gehirn der Zerberus funktionierten wieder. Der Chronist spürte, wie eine Woge der Aufregung durch die Netze des Flaggschiffs ging, wie sich Hunderte von Besatzungsmitgliedern, Morti und Vivi, fragten, was geschehen war. Izzad empfing weitere Signale, offenbar direkt vom Vorsitzenden des Gremiums, und sein Gesicht wirkte seltsam leer.
»Warum ist das Schiff im Hangar explodiert?«, fragte Xavis V Xavius, der Chronist. »Was hatte es mit der zweiten Explosion auf sich? Wer befindet sich an Bord des geflohenen Schiffes? Bitte geben Sie mir Auskunft, General. Mein Schwarm ist empfangsbereit.«
General Izzad, groß und grau, schüttelte den Kopf. »Nicht hier, nicht jetzt. Und es sind die falschen Fragen, Chronist. Die wichtigste Frage haben Sie nicht gestellt. Jene, die uns alle betrifft. Die nach dem Endurium. Nach unserer Zukunft.«
Xavius klappte den Mund auf, aber es kam kein Ton heraus.
Dann öffnete sich die Tür, und vor ihnen, in der Sicherheitsschleuse des Kommandozentrums, stand Quintus M Quiron, die blassen Bahnen der alten Tätowierungen wie Narben auf den Wangen und am Hals.
»Wie geht es ihm?«, fragte General Izzad ohne einen Gruß.
»Er ist tot.« Quirons Stimme klang fast wie das Zischen einer Schlange. »Der große Avedo M Avedis weilt nicht mehr unter uns.« Und lauter, den Kopf ein wenig nach hinten gelegt und die Arme ausgebreitet: »Der Splitter-Abschaum hat den Regenten umgebracht!«
ZORN
I
Manchmal erinnerte er sich an seinen Namen, so wie jetzt – er hieß Zayac, Rudolph Allan Zayac , und sein Name hatte noch einen Zusatz, ein oft vorangestelltes ProfDr. Das waren angenehme Momente, denn sie gaben ihm Identität, die Möglichkeit, zwischen ich und den Stimmen zu unterscheiden, die oft in seiner Welt flüsterten. Man nannte ihn den »Schläfer«, obwohl er gar nicht schlief, er schlief nie, seine Gedanken summten und schwirrten die ganze Zeit über, reisten huckepack auf Elektronen. Vielleicht ging die Bezeichnung auf die Phasen ohne Erinnerung an seinen Namen und das Davor zurück, wenn die Gedanken ziellos trieben, auf der Suche nach Erinnerungen und Anhaltspunkten für das Hier und Heute . Er sehnte sich nach Erinnerungen, weil er sich von ihnen mehr Identität erhoffte, aber er fürchtete sie auch, denn eine der Erinnerungen, die er gefunden hatte, betraf eine Katastrophe, die mit ihm in Verbindung stand.
Als diesmal sein Name zurückkehrte, als er wieder zu Zayac wurde, hörte er eine der Stimmen deutlicher als die anderen. Er hielt sie fest, er konzentrierte sich darauf, er machte sie zum Fokus seiner Sinne und sagte: »Ich bin hier und höre dich.«
II
Auf dem Weg durch die Gruft, wie man diesen Teil der Kathedrale nannte, kam Tabatha M Belote an einem breiten Fenster vorbei und staunte über den Sonnenschein, der die lehmbraunen und obsidiandunklen Gebäude der Stillen Stadt durch eine Lücke in der grauen Wolkendecke erreichte. Für einen Moment glitzerte er auf regennassen Dächern und tastete sich zaghaft zum Allerheiligsten vor, der schwarzen Pyramide im Zentrum der Stadt. Doch der Riss im Grau über der Stadt schloss sich schnell wieder, und das Glitzern und die Farben verschwanden. Tabatha staunte auch über ihr Erstaunen, das noch immer recht intensiv sein konnte, obwohl ihr Tod in der Pyramide schon zwei Wochen zurücklag. Vielleicht dauerte die Umstellung bei ihr länger als bei den anderen; vielleicht klammerte sich etwas in ihr am Leben fest, ohne zu merken, dass es ebenso tot war wie der Rest. Oder es lag daran, dass sie noch nicht Teil der Phalanx geworden war. Die Integration sollte erst später erfolgen, und bis dahin würde sie, als Auserwählte unter den Phalanx-Anwärtern, Wächterdienste in der Stillen
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