Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
»Wie Sie wünschen.«
    Urik dachte darüber nach, als sie das Kommandozentrum verließen und sich einer Transportkapsel anvertrauten, die sie zum breiten Heck der Hades trug. Es gefiel ihm nicht, dass Lorinda wach bleiben und weitere Fragen beantworten sollte. Thixton übertrieb es mit seinem Misstrauen. ASE und Streitkräfte, sie standen auf derselben Seite!
    Der Kryo-Raum enthielt dreihundert Hibernationszellen, genug für die Vivi an Bord, die ihre Reisebilanz nicht belasten konnten und sich den Unannehmlichkeiten und auch den Risiken eines Kälteschlafs unterziehen mussten. Natürlich gab es Restauratoren an Bord; kein Lebender riskierte hier den endgültigen Tod. Aber Restaurationsbehandlungen konnten sehr unangenehm sein und waren ein Hindernis auf dem Weg zur Stillen Stadt.
    Für einen Moment kam es zu einem seltsamen inneren Konflikt. In Uriks Hinterkopf flüsterte eine Stimme, an die er sich zu erinnern glaubte, von Vivi-Soldaten, die starben, weil sie sich zu oft dem Kryo-Schlaf anvertrauen mussten. Jemand hatte davon erzählt, ein Gegner des Enduriums, ein … Mann, der kurze Zeit später ermordet worden war?
    Nur etwa die Hälfte der Zellen war belegt. Urik fand eine freie, und als er sich entkleidet in ihr ausstreckte, fragte Thixton: »Warum haben Sie die drei Nachrichten mit einem persönlichen Code des verschwundenen Titus M Izzad verschlüsselt?«
    Ein akustisches Signal wies auf den unmittelbar bevorstehenden Konnektor-Transfer der Hades hin. Urik hörte es, gedämpft von zunehmender Mattigkeit. »Alle Ihre Fragen werden beantwortet«, versprach er. »Bald.«
    Ein Mann träumt im Schlaf, aber es sind langsame Träume, halb in Kälte erstarrt, und jeder Traum gehört einem anderen Träumer. Einer träumt von Freiheit, die ihm die Schwingen eines Vogels verleihen. Ein anderer wünscht sich Vergeltung für Unrecht. Der dritte schließlich, verborgen hinter den anderen, wartet darauf, dass sich die Tür zu Geheimnissen öffnet.
    Doch zuerst öffnet sich eine Hibernationszelle, und als der Schläfer die Augen öffnet, sieht er eine Waffe, die gar nicht nötig ist.
    Die Waffe, die gar nicht nötig war – Urik fühlte sich zu schwach, auch nur die Hand zu heben –, zeigte auf sein Gesicht.
    »Alle meine Fragen werden jetzt beantwortet«, sagte Jamar M Thixton rau.
    47
    Das Gesicht brannte und löste sich, fühlte sich an wie ein heißer Fladen, den jemand auf ihn geworfen hatte. Vielleicht hielt es Thixton deshalb für nötig, eine Waffe darauf zu richten: weil er sich bedroht fühlte, weil er befürchtete, der ekelhafte Symbiont könnte ihm entgegenspringen und sich an sein graues, totes Gesicht heften. Es war ein absurder Gedanke, aber Urik – lautete so sein Name? – klammerte sich daran fest, denn alles andere schien noch weniger Sinn zu ergeben. Er sah Gesichter, nicht nur vor den Augen, sondern auch dahinter, und er wusste nicht zu sagen, welche von ihnen realer waren. Lorinda war da, erkannte er, sie versuchte, ihm aus der Kapsel zu helfen, reichte ihm Kleidung, die er nahm und mechanisch überstreifte. Aber es war gar nicht Lorinda, so hieß sie nicht, sie hatte einen anderen Namen.
    »Verdammt«, sagte er, er stöhnte dieses Wort, und dann rief er es: »Verdammt! Verdammt! « Und er presste sich die Fäuste an die Schläfen, weil der Druck im Kopf immer mehr zunahm und er einen Gegendruck schaffen musste, wenn der Schädel nicht explodieren sollte.
    Jemand packte seine Arme, jemand hielt ihn fest, zwei andere Morti, zwei der Gesichter, die er gesehen hatte; weiter hinten gab es noch mehr, Gesichter, die nicht grau waren, in denen Leben steckte. Vivi. Zu Dutzenden kletterten sie aus Kryo-Zellen, nicht annähernd so geschwächt wie er.
    »Was ist das hier? Eine biologische Maske?« Thixton riss ihm das brennende Etwas vom Gesicht, und er war dankbar dafür, er hasste die Kälte, die ihn nicht verlassen wollte, aber das Brennen im Gesicht – in seinem richtigen Gesicht – war noch schlimmer gewesen. »Wer sind Sie?«
    »Ich bin … Jerull Urik.«
    »Nein. Der sind Sie nicht.«
    »Er weiß Bescheid.« Diese Worte kamen von Lorinda, die anders hieß.
    Weitere akustische Signale erklangen, sie ertönten nicht nur im großen Kryo-Raum der Hades , sondern überall an Bord des Zerstörers, er fühlte es, vielleicht mit einer Erinnerung an die Netzverbindungen seines Schwarms. Es waren Alarmsignale.
    »Halten Sie mich für dumm?« Der Sicherheitsoffizier kam näher und hielt die Waffe auf ihn

Weitere Kostenlose Bücher