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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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graue Wabern – grau wie die Gesichter der meisten Morti – des Quantenschaums, durch den der Transporter glitt. Er genoss eine leichte Mahlzeit, lauschte dabei einer von der KI des Transporters komponierten Musik – Improvisationen auf der Grundlage der Quantenfluktuationen, die das Schiff umgaben – und ließ die Gedanken treiben, während er den Blick über die anderen Passagiere schweifen ließ, die wie er auf einen Kompensator verzichteten …
    … als er merkte, dass sich ihm jemand näherte.
    Erstaunlicherweise war es der attraktive junge Mann, der ihm im Empfangssaal aufgefallen war.
    Eugene Salyard, in einen mit bunten Symbolen geschmückten cremefarbenen Umhang gehüllt, der an eine römische Toga erinnerte, schritt durch leere Luft. Er kam an zwei Sitzinseln vorbei, von Antigravfeldern in halber Höhe gehalten und hinter einem Privatschirm verborgen, der die betreffenden Passagiere nur als vage Silhouetten zeigte, und folgte mit sicheren Schritten dem Verlauf eines Schwerkraftstegs, den ihm sein einfacher Schwarm zeigte. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass er zu Xavius wollte, denn der Steg führte direkt zu seinem Tisch am Fenster, wie ihm seine eigenen Mikromaschinen bestätigten.
    Welch eine angenehme Überraschung, dachte Xavius und fragte sich, ob er die nächsten subjektiven Stunden in trauter Zweisamkeit verbringen konnte.
    Der junge Mann erreichte ihn und zögerte. Xavius hatte auf einen Privatschirm verzichtet – keine bewusste Entscheidung, vielleicht ein kleiner Streich des Unbewussten –, und in solchen Gemeinschaftszentren lautete die Botschaft: Ich lehne keine Kontakte ab.
    »Sie sind Xavis V Xavius, der Chronist, nicht wahr«, sagte Salyard, und trotz der beiden letzten Worte klang es nicht nach einer Frage.
    Xavius zeigte seine ID im öffentlichen Netz des Transporters nicht an, doch der junge Mann erkannte ihn, was ihn kaum überraschte – sein Gesicht war oft genug im Mesh des Enduriums erschienen.
    »Ja.« Xavius lächelte erneut und deutete zum freien Stuhl auf der anderen Seite des kleinen Tisches. »Möchten Sie Platz nehmen?«
    Der junge Mann zögerte erneut, trat dann auf die andere Seite des Tisches und sank auf den Stuhl. Sein Gesicht zeigte eine sonderbare Anspannung.
    Xavius deutete auf die Karaffe mit dem Aromawasser, das sich mit seinem Materialgedächtnis auch in Wein, Sekt oder Fruchtsaft verwandeln konnte. Ähnlich verhielt es sich mit den Speisen auf dem Tablett. Derzeit lagen dort dünne, zarte Fleischscheiben, aber für einen Vegetarier konnte die strukturierte Synthomasse zu Gemüse werden.
    »Bedienen Sie sich«, sagte Xavius.
    »Ich habe keinen Hunger.«
    Einige Sekunden verstrichen, während der Blick des jungen Mannes in Xavius’ Augen nach etwas zu suchen schien.
    »Möchten Sie sich nicht vorstellen?«, fragte Xavius schließlich.
    »Ich bin sicher, Sie wissen, wer ich bin«, sagte Salyard. Eine gewisse Schärfe lag in seiner Stimme. »Bestimmt haben Sie sich mit Ihrem Schwarm über mich informiert.«
    Xavius nickte bedächtig. »Sie sind Eugene Salyard, Xenoarchäologe und LA-Linguist.« Erzähl ihm von den Hieroglyphen, die auf den Splitter-Welten entschlüsselt worden sind, dachte er. Lass nicht zu, dass sich dieses Gespräch in die Richtung entwickelt, die du befürchtest.
    Denn etwas im Gesicht des Mannes erschien ihm vertraut.
    »Außerdem bin ich Innovator.« Salyard versuchte, ruhig zu sprechen, aber es gelang ihm nicht, die Schärfe aus seiner Stimme zu verbannen. »Warum machen Sie das?«
    Xavius seufzte innerlich. »Warum mache ich was?«
    »All die Lügen. All die Berichte über die glorreiche Faust des Regenten. Über die unfehlbare Klugheit der Morti, die das Endurium mit weisem Geschick regieren …«
    »Ich habe nie behauptet, dass die Morti unfehlbar sind«, warf Xavius ruhig ein, um Salyards Wortschwall zu unterbrechen. Noch hatte er die Hoffnung nicht ganz aufgegeben und erinnerte sich an Sonya, ein Führungsmitglied der Großen Reklusion von Tibetian, die sich nach anfänglicher heftiger Ablehnung auf ein kurzes Verhältnis mit ihm eingelassen hatte, vielleicht aus morbider Lust auf Nähe zum Gegner oder um sich selbst zu beweisen, wie stark sie war. Die Gründe spielten keine große Rolle; es waren einige angenehme Tage gewesen, und letztendlich kam es nur darauf an.
    »Seit vielen Jahren lassen Sie keine Gelegenheit ungenutzt, die Herrschaft der Toten zu rechtfertigen und das Regime des Regenten zu rühmen.«
    Gepriesen sei

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