Der letzte Single fangt den Mann
Brezeln und den Wein.
» Du kannst nicht behaupten, ich würde mich nicht um dich kümmern«, entgegne ich, während ich mich setze und mein Glas in die Hand nehme.
Robert streckt sich und lässt sich schnaufend in einen Sessel fallen. Dann nimmt er sein Glas und prostet mir zu. Unsere Blicke treffen sich zum ersten Mal, seit er zu Hause ist.
» Frohe Fast-Weihnachten«, sage ich.
» Frohe Fast-Weihnachten«, erwidert er und nickt, bevor er einen großen Schluck nimmt. » Ah, schon besser.«
Es entsteht eine Pause, und wir lächeln uns an. Ich mag sein Gesicht, denke ich unwillkürlich. Und nicht nur, weil es ein schönes Gesicht ist. Ich mag es einfach. Ich kann ihm das wahrscheinlich nicht sagen, ohne wie ein Idiot zu klingen, also nehme ich stattdessen einen Schluck von meinem Wein.
» Wie geht es Dave?«, fragt er.
» Gut, gut, alles bestens«, sage ich rasch. Ich möchte nicht bei diesem Thema bleiben für den Fall, dass Robert etwas sagt, was ich nicht hören möchte. » Wie geht es, äh…«
» Denen geht es allen gut«, sagt er und steckt eine ganze Handvoll Brezeln in den Mund, was nicht so einfach ist. » Auch alles bestens. Wie läuft es auf der Arbeit?« Ich sehe ihn an und kneife die Augen zusammen. Die Arbeit ist eins der Themen, über die ich nicht reden möchte. » Business as usual also«, fährt er mit vollem Mund fort. » Ich dachte, du wolltest so tun, als würdest du dich stärker engagieren?«
Ich zucke mit den Achseln. » Ich kann nicht so lange etwas vorspielen. Irgendwann muss man sich die Wahrheit eingestehen, und ich hasse…« Ich werfe einen Blick durch das Zimmer. » Weihnachtsdekoration!«, rufe ich. » Genau das fehlt hier!«
» Hilfe!«, sagt Robert.
» Ich finde, das Zimmer sieht ein bisschen nackt aus… Es fehlt die Weihnachtsdekoration.«
» Hm. Irgendwo liegt noch der alte Krempel von meiner Schwester rum. Bevor sie nach Dublin gezogen ist, hat sie mir das Zeug hiergelassen…«
Robert geht zu dem Schrank in der Diele und nimmt einen großen Karton herunter.
» Abby, mein Schatz, mach dich auf die schlimmste Weihnachtsdeko aller Zeiten gefasst.«
Zum Vorschein kommen Girlanden, matte Christbaumkugeln, Lichterketten, ein schäbiger Adventskranz, in dem ein paar ernsthaft krank aussehende Rotkehlchen stecken, acht rote Kerzen, die unterschiedlich heruntergebrannt sind, eine CD mit dem Titel » Das beste Weihnachtsalbum aller Zeiten«– und das ist noch nicht alles.
» Deine Schwester ist bestimmt witzig«, sage ich und nehme einen Tacker aus dem Karton, der ganz obenauf liegt.
» Alice? Ja, das ist sie«, sagt Robert, der einen Besteckständer herausnimmt, der mit künstlichen Stechpalmenzweigen dekoriert ist.
» Was ist das?«, frage ich und halte einen ausgestopften Elch hoch, der eine Weihnachtsmütze trägt, auf die Weihnachten 2002 gestickt ist.
» Das war früher Alice’ Türschmuck«, antwortet er. » Statt eines Kranzes.«
» Darf ich?«, sage ich und hüpfe fröhlich zur Haustür, den Elch und den Tacker in der Hand.
» Ah, der leichtfüßige Bergziegensprung!«, ruft Robert mir hinterher. » Den erkenne ich überall.«
Ich tackere den Elch mit den Armen, den Hufen und dem Geweih an die Tür, dann hüpfe ich wieder fröhlich ins Wohnzimmer zurück. » Sollen wir uns in Weihnachtsstimmung versetzen?« Ich nehme eine Flasche Jack Daniels aus dem Karton, um die ein Weihnachtsmannbart gebunden ist, und wackele damit hin und her.
Eine Stunde später habe ich einen Kranz aus Mistelzweigen auf dem Kopf. Robert trägt eine Frau-Weihnachtsmann-Perücke mit langen weißen Zöpfen. Wir singen lauthals mit zu Bing Crosbys White Christmas. Ich habe den Adventskranz mit den Rotkehlchen auf den Couchtisch gestellt und die roten Kerzen hineingesteckt, während die Christbaumkugeln in einer großen Glasschüssel auf der Küchenanrichte stehen. Außerdem haben wir bunte Lichterketten um die Fenster getackert (wahrscheinlich eine blöde Idee, aber zu diesem Zeitpunkt hatten wir bereits je zwei Gläser Whisky intus).
» Sieht aus wie Weihnachten nach einem schlimmen Kater«, sage ich stolz.
» Gefällt mir«, sagt Robert und nippt an seinem Jack Daniels. » O Mann! Ich habe eine wirklich beschissene Woche hinter mir. Danke, dass du mich abgelenkt hast. Du bist wie menschliches Prozac.«
Ich grinse ihn an. Es fühlt sich so leicht an, mit ihm Zeit zu verbringen. Könnten Beziehungen doch nur so einfach sein wie Freundschaften. Ich schätze, das sind sie irgendwann,
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