Der letzte Single fangt den Mann
hättest den Verstand verloren.«
» Hatte ich auch. Aber dann habe ich ihn wiedergefunden.«
» Er ist es nicht wert«, sagt Robert.
» Ich weiß. Ich kann nicht erklären, warum… ich mich so verhalten habe.«
» Man kann nicht kontrollieren, in wen man sich verliebt.«
» Das sollte man aber… egal, jedenfalls war es keine Liebe. Das kann keine Liebe gewesen sein. Es war eher eine Art Sucht«, sage ich bedächtig. » Ich war nicht glücklich. Aber ich… hatte mich nicht unter Kontrolle.«
Robert nickt. » Ich weiß genau, was du meinst.«
» Sind sie noch im Hotel?«, frage ich leise.
» Ich habe dafür gesorgt, dass sie sich woanders einquartieren.«
Wir beenden schweigend unsere Mahlzeit, und wieder fällt mir auf, wie gelassen ich bin. Als hätte ich die Luft ausgestoßen, nachdem ich sie monatelang angehalten hatte.
Nach dem Essen rufe ich meine Eltern und Sophie an und versichere ihnen, dass ich nicht am Rande des Todes schwebe. Danach bin ich wieder geschafft, schlüpfe in einen frischen Pyjama und rolle mich im Bett zusammen. Robert arbeitet währenddessen die ganze Zeit weiter. In London ist erst Mittag, schätze ich.
» Was sagt eigentlich dein Arbeitgeber dazu, dass du hier bist?«, frage ich.
» Ich hätte ohnehin noch im ersten Quartal nach Hongkong fliegen müssen. Ich habe morgen den ganzen Tag Meetings.«
» Du bist ein unglaublich fantastischer Freund, Robert. Ich kann das niemals wiedergutmachen.«
Er stößt ein verächtliches Schnauben aus, aber grinst.
Vor allem wenn man bedenkt, dass wir seit Wochen kaum ein Wort miteinander gewechselt haben, würde ich am liebsten hinzufügen, lasse es aber sein. Ich will es nicht verderben. Das hier fühlt sich fast an wie unsere alte Freundschaft. Ich schnappe mir die Fernbedienung und verändere meine Liegeposition, indem ich mich auf den Bauch drehe.
» Komm, wir gucken ein bisschen chinesisches Fernsehen. Oh! Hongkong MTV . Wahnsinn.«
» Na schön«, sagt Robert, steht auf und kommt herüber zum Bett. » Aber nur, wenn du den Rest der Toblerone mit mir teilst.«
Kapitel 39
» Ich bin so gut wie neu, Roberto«, sage ich, als ich am nächsten Morgen wach werde.
» Gut«, sagt er.
Er sitzt am Tisch und arbeitet. Wieder. Ich strecke die Arme und Beine und gähne laut. Wie schön es doch ist, nicht das Gefühl zu haben, sich übergeben zu müssen.
» Ich werde Gesundheit nie wieder als etwas Selbstverständliches betrachten.«
» Dann buche ich nachher ein eigenes Zimmer.«
» Schade. Gestern Abend hatte ich das Gefühl, wir würden gemeinsam in unserem Zeltlager der Realität entfliehen.«
Der Realität von Dave und Bel– ah, denk nicht darüber nach.
» Leider hat die Realität mich eingeholt. Ich muss zu einem Meeting. Bist du sicher, dass du klarkommst?«
Eine Sekunde lang überlege ich, ob ich André anrufen soll oder meine E-Mails lesen. Oder ob ich Henrys Bruder Rich kontaktieren soll, damit er mich zu einem Lunch mit Flirtfaktor einlädt. Aber ich möchte lieber allein sein. Wie untypisch.
» Ich denke, ich mache heute einen Spaziergang.«
Robert gibt mir eine Schüssel Porridge und einen Löffel. » Es hat mich viel Zeit gekostet, das Personal zu überreden, Mandelsplitter darüber zu streuen. Ich werde heute Abend um acht zurück sein. Schon dich ein bisschen, okay?«
Ich strahle ihn an, als er geht, während ich die Porridge-Schüssel vor meiner Brust halte und mich wie ein kleines Kind fühle. Dann schaue ich mir einen im wahrsten Sinne des Wortes saukomischen Zeichentrickfilm mit einem Schwein, das nicht aufhört zu furzen, auf Kantonesisch an. Fernsehen in einer fremden Sprache ist eine tolle Möglichkeit, das Gehirn leer, aber beschäftigt zu halten. Danach bestelle ich mir eine große Kanne Kaffee.
Ein paar Minuten später klopft es, und ich, über die Schnelligkeit des Zimmerservices staunend, hüpfe zur Tür und mache auf.
Aber es ist nicht der Zimmerservice. Es ist Dave.
» Abigail.«
Mein Herz beginnt zu rasen vor Schreck.
» Was willst du?«, sage ich, ohne nachzudenken.
» Darf ich reinkommen?«, fragt er zögernd.
Ich habe ihn noch nie so nervös gesehen.
Ich überlege kurz.
» Nein.«
» Ich wollte dir nur sagen… es tut mir leid.« Er kann mir nicht in die Augen sehen. » Ich wollte dich nicht verletzen. Wirklich nicht… Das mit Bella geht schon seit Jahren.«
» Ich weiß.«
Er sieht gar nicht so toll aus, wie ich ihn in Erinnerung habe. Tatsächlich wirkt er irgendwie… klein. Und
Weitere Kostenlose Bücher