Der letzte Single fangt den Mann
schlendere umher, während ich die Auslagen betrachte und an meinem Kaffee nippe. Marc Jacobs, Dior, Chanel, überall herrscht Hochbetrieb… Diese Stadt ist verrückt nach Luxus, denke ich.
Schließlich gelange ich auf die Straße hinaus. Vor den Ampeln reihen sich rote Taxis, und es wimmelt von ernsten Menschen in westlicher Kleidung. Ich gehe zu der nächsten Ampel, überquere bei Grün die Straße und schlendere weiter auf der Queen’s Road. Ich komme an Straßenhändlern, die Pashmina-Tücher verkaufen, vorbei und passiere enge Gassen, in denen ein Stand neben dem anderen billige Uhren und Kleider aus Seide anbietet. Ich betrete eine Kosmetikboutique, die Sasa heißt, und gebe achtzig Pfund für eine Hautpflegeserie von Lancôme, die mich zu Hause ein paar Hunderter gekostet hätte, aus. Ich stöbere in chinesischen Kräuterläden, Elektronikshops, Boutiquen und Schuhgeschäften. Einige internationale Marken sind vertreten, wie der Body Shop und H&M, neben einheimischen Marken wie Wanko.
Ich beschließe, mich absichtlich zu verlaufen, und marschiere einen steilen Hügel hoch. Die Menschenmassen lichten sich etwas, und ich überquere zwei Straßen, bis ich offenbar in einem Amüsierviertel lande, dem Lan Kwai Fong. Dort reiht sich ein Lokal an das andere. Ich betrete ein Restaurant im amerikanischen Fünfzigerjahrestil, das sich Al’s Diner nennt. Es ist leer, die gelangweilten Kellnerinnen stehen schwatzend in der Ecke, und auf einer Videoleinwand läuft gerade ein Clip von Bruce Springsteen.
Nachdem ich mir einen Burger, Pommes frites und ein Bier bestellt habe, setze ich mich ans Fenster und beobachte die Passanten draußen. Viele Geschäftsleute, ein paar Touristen. Hier gehen alle schneller als in London: Jeder hat es eilig. Ein Porsche braust den Hügel herunter und verfehlt knapp einen alten Mann in einer Art Pyjamahose und einer weißen, ärmellosen Weste, der ein altes Rad mit einem riesigen Korb auf der Lenkstange schiebt. Er schimpft dem Porsche hinterher. Ich muss kein Kantonesisch können, um zu verstehen, was er sagt.
Ich frage mich, ob es das ist, was Dave an Hongkong liebt, denke ich unwillkürlich.
Denk nicht an Dave, schelte ich mich sofort.
Was für ein Mensch muss ich sein, dass ich so gründlich und rasch von meinem Weg abgekommen bin? Ich dachte, ich wäre so clever, so sortiert mit meiner lockeren Einstellung, was Dates betrifft und das Singledasein… was für ein schrecklicher Fehler. Ich wusste nichts. Ich weiß immer noch nichts.
Bei diesem Gedanken muss ich seufzen.
Schlagartig wird mir klar, dass ich in der Zeit, die ich mit Dave zusammen war, alle Überlebenstipps von Robert ignoriert habe. Meine kugelsichere Fassade ist in Gegenwart dieses attraktiven, selbstüberzeugten Mannes, der immer einen flotten Spruch auf den Lippen hat, wie ein trockener Keks zerbröselt.
Ich nippe an meinem Bier. Jeder auf der Straße ist dick angezogen, fällt mir auf. Die Durchschnittsfrau in Hongkong trägt Strumpfhosen, Stiefel, Mütze, Handschuhe, Schal und Mantel, obwohl es heute mindestens fünfzehn Grad warm ist. Für den Durchschnittslondoner ist das Badewetter.
Ein Mann und eine Frau steigen die Eingangsstufen zu Al’s Diner hoch. Als sie hereinkommen, erwidert die Frau meinen Blick, und ich lächle spontan, gerade als mein Burger serviert wird. Mit Pommes frites. Mmhhh!
» Okay, ich schlage vor, wir legen ab Mai los«, sagt eine Männerstimme. Ich drehe leicht den Kopf und sehe, dass der Mann und die Frau nur wenige Meter von mir entfernt Platz genommen haben. Verdammt. Jetzt ist es vorbei mit meiner Ruhe. » Dann haben wir bis Juli alles im Kasten und können nach dem Sommer in New York, Zürich und London drehen.«
Er ist Ire.
» Aber bis Mai bleibt nicht mehr viel Zeit«, erwidert die Frau.
Sie ist Kanadierin, glaube ich.
» Damit müssen wir klarkommen«, sagt er. » Ich will den Hochsommer jedenfalls nicht im verdammten Südchina verbringen.«
» Ich bin immer noch nicht davon überzeugt, dass Guangzhou der richtige Drehort ist«, sagt sie. (Ich weiß, ich lausche, aber ich kann nicht anders.) » Diese Fachmesse war reine Zeitverschwendung. Wir müssen den wuchernden Kapitalismus in Asien zeigen, um ein Licht auf den enormen Reichtum und die totale Verschwörung all dieser Luxusmarkenhersteller zu werfen.«
» Du bist diejenige, die alles auf den kleinsten gemeinsamen Nenner bringen muss«, fällt der Mann ihr ins Wort.
» War Eine unbequeme Wahrheit der kleinste
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