Der letzte Single fangt den Mann
gemeinsame Nenner?«, fährt sie ihn an. » Oder Sicko? Nein. Die sind zwar zugänglich, aber nicht dumm. Das ist ein Unterschied. Wenn du das nicht siehst, bist du der Dumme.«
» Ich habe es vermisst, mit dir zu arbeiten«, sagt er und lacht.
Sie unterbrechen sich, weil die Kellnerin das Essen bringt. Ich bin fasziniert von ihrem Gespräch und würde am liebsten mitreden. Der Hunger nach Konversation ist wahrscheinlich eine weitere Folge davon, dass ich fünf Tage im Bett gelegen habe.
» Das ist eine Aufklärungsreise, okay?«, fügt sie einen Moment später hinzu. » Nur darum geht es. Wir streichen also Guangzhou von der Liste und machen weiter.«
» Wir werden keine Drehgenehmigung in den Industriegebieten um Shanghai und Peking bekommen«, sagt er. » Die chinesische Regierung fürchtet eine schlechte Presse wegen Umweltverschmutzung. Wir bekommen nur eine Genehmigung, wenn wir China in einem positiven Licht präsentieren und denen das Filmmaterial zeigen.«
» Ich lasse mich doch nicht für diese beschissene Propaganda einspannen«, entgegnet sie.
Einen Moment lang liegt Spannung in der Luft. Dann beginnt er zu lachen, und sie fällt ein.
Ich räuspere mich. Ich will unbedingt etwas sagen, aber vielleicht komme ich dann verrückt rüber oder wie jemand, der andere belauscht.
» Verzeihung«, sage ich und drehe mich zu den beiden um. Sie wenden mir höflich ihre Gesichter zu. Scheiße. Was mache ich da? Aber jetzt habe ich schon angefangen… » Ich habe unbeabsichtigt Ihr Gespräch mitbekommen, und ich…«
Die Kanadierin grinst. Sie ist nicht viel älter als ich, denke ich. Anfang dreißig, lange braune, lockige Haare, die dringend einen Schnitt nötig haben. Ein bisschen hippiemäßig. Der Ire ist älter, ein großer Mann mit leicht schütterem Haar, der einen Parka trägt.
» Wenn Sie eine chinesische Stadt suchen, die trotz der Wirtschaftskrise nicht zu verschmutzt ist und die enorm wächst, haben Sie da schon mal an Beihai gedacht?«
» Ja«, antwortet der Mann rasch. Er hat kein Interesse, sich mit mir zu unterhalten. » Wir haben es von der Liste gestrichen. Dort herrscht generelles Drehverbot.«
» Oh«, sage ich verlegen und leicht verwundert.
Beihai zählt zu den am schnellsten wachsenden Städten der Welt, und die Strände sollen traumhaft sein. Ich hätte gedacht, die würden sich über kostenlose Werbung freuen.
» Du meinst Baotou«, sagt die Kanadierin zu dem Mann.
» Tu ich das?«, erwidert er. Einen Augenblick lang befürchte ich, er wird wieder unhöflich, aber dann verzieht sich sein Gesicht zu einem Lachen. » Sorry, ich kann mir diese beschissenen Namen einfach nicht merken.«
» Ignorieren Sie ihn«, sagt sie zu mir. » Er ist nur ein Besserwisser.«
» In China gibt es hundert Städte mit über einer Million Einwohner. Die muss man sich erst mal alle merken können.«
» Was wissen Sie sonst noch über Beihai?«
Ich zögere und überlege kurz. » Sie drehen eine Dokumentation über die Wirtschaftskrise, richtig?«
Die Frau macht ein überraschtes Gesicht und grinst. » Mehr oder weniger.«
» Beihai war Teil der Seidenstraße vor zweitausend Jahren. Das wäre der historische Blickwinkel. Heute ist es eine der am schnellsten wachsenden Städte der Welt. Außerdem ist es ein beliebtes Urlaubsziel von Festlandchinesen, und es gibt inzwischen Bestrebungen, auch internationale Touristen anzulocken. Und Beihai ist sauberer und hübscher als andere Städte.«
Ich unterbreche mich und erröte. Ich wollte gar keine Rede halten, aber die Kanadierin hat so ein nettes, offenes Gesicht. Ich fand sie sofort sympathisch. Der Mann ignoriert mich, denke ich, weil er etwas in sein BlackBerry tippt, aber dann sehe ich, dass er sich Notizen macht.
» B-E-I-H-A-I «, buchstabiere ich hilfsbereit.
Er hebt den Kopf und grinst. » Danke.«
» Ich heiße übrigens Katherine. Ich bin Aufnahmeleiterin.«
» Abigail«, sage ich.
Wir geben uns die Hand.
» Ronan«, sagt der Ire und streckt mir seine Hand entgegen. » Produzent.«
Katherine sieht ihn an und gibt sich kaum Mühe, ihr Prusten zu verbergen. Sie dreht den Kopf wieder zu mir und grinst.
» Wie kommt es, dass Sie so viel über China wissen?«
» Ich arbeite als Finanzberaterin für eine Investmentbank in London«, sage ich. » Mein Spezialgebiet sind die Luxusmärkte Asiens.«
Katherines Augen leuchten auf.
» Erzählen Sie uns alles, was Sie wissen«, sagt sie.
Kapitel 40
» Sie haben sehr trockene Haut«, sagt die
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