Der letzte Single fangt den Mann
Kosmetikerin.
» Ich war krank«, sage ich entschuldigend.
» Schlechter Zustand. Vergrößerte Poren. Zu viele Falten.«
Ich bin erst achtundzwanzig, verdammt, liegt mir auf der Zunge. Aber stattdessen setze ich ein hoffnungsvolles Lächeln auf.
» Können Sie mich wieder schön machen?«
Nach dem Maniküre-Pediküre-Fiasko (anscheinend sind meine Zehenkrallen unzumutbar), der demütigenden Wachsenthaarung (ich glaube, ich kenne jetzt den thailändischen Begriff für » Wälder Borneos«) und dem kernschmelzartigen Körperpeeling (ich habe etliche spitze Schreie ausgestoßen) gewöhnte ich mich langsam an kleine Chinesinnen, die tadelnd den Kopf schütteln, während sie mich mustern.
Aber ich bin so entspannt, dass es mir völlig schnurz ist, was andere sagen. Tatsächlich hatte ich einen der besten Tage in meiner jüngeren Vergangenheit: zuerst das besinnliche Flanieren und Leutebeobachten, dann ein einstündiges, lebensveränderndes Gespräch mit Katherine und Ronan (davon später mehr), dann der Shoppingbummel auf dem Rückweg zum Hotel, leicht bedudelt von dem einen Bier, und anschließend eine Stunde Schlaf. Als ich aufwachte, fühlte ich mich so gut wie seit Wochen nicht, machte meinen ersten leichtfüßigen Bergziegensprung seit Monaten und ging um sechzehn Uhr in den Wellnessbereich, wo ich mich jetzt befinde. Ich bin fast fertig mit meinem zweistündigen Verwöhnprogramm. Fehlt nur noch die Massage.
Robert hat eine Nachricht hinterlassen– er schafft es wie erhofft, um acht Uhr zurück zu sein. Ich hoffe, er will auswärts essen. Ich will. Ich fühle mich wie verjüngt nach den Ereignissen des Tages. Ich muss lächeln, wenn ich daran denke.
» Nicht lächeln!«, fährt die Kosmetikerin mich an.
» Sorry!«, sage ich und muss lachen.
Nach einem missbilligenden Blick fängt sie auch an zu lachen.
Als Nächstes erwartet mich eine Massage mit heißen Steinen, bei der ich vor lauter Entspannung einnicke. Zum Schluss bekomme ich eine Kopfmassage, die mich richtig wach macht und mir neue Energie verleiht. In Bademantel und Schlappen laufe ich zurück zu meinem Zimmer und fühle mich erholt wie seit einer Woche nicht mehr. (Wahrscheinlich ist das nicht die Garderobe, die im Mandarin Oriental in den öffentlichen Bereichen erwünscht ist, aber was soll’s.)
Zurück im Zimmer, wasche ich mir die Haare und trockne sie mit dem erfreulich leistungsstarken Hotelföhn, bevor ich anschließend in ein kurzes, ärmelloses weißes Kleid schlüpfe, das ich heute gekauft habe, und in meine grünen Lieblingspumps. Ich nehme mir viel Zeit fürs Schminken– allein für das Vergnügen, zum ersten Mal seit Tagen nicht mehr auszusehen, als hätte ich die Krätze. Grauer Lidschatten, leicht verwischt, viel Wimperntusche, ein bisschen Rouge, Bronzer und Aufheller, um gesünder auszusehen… Ich habe mir heute auch eine goldene Clutch gekauft, in die ich mein Lipgloss und meine Kreditkarten stecke.
Ich betrachte zufrieden mein Spiegelbild. Ich fühle mich wieder wie ich selbst.
Ich stakse zur Minibar– in diesen Absätzen kann man nur staksen– und öffne sie. Wild Turkey! Wie Thelma-und-Louise-mäßig von mir.
Ich mische den Whiskey mit Coca Cola, dann lege ich mich aufs Bett und schaue mir eine kantonesische Seifenoper an. Man kann in diesen Soaps tatsächlich anhand der Körpersprache der Handlung folgen. Eine ältere Frau mit aufgemalten Augenbrauen– eine Art chinesische Joan Collins– versucht, ein junges Paar auseinanderzubringen. Der Mann ist entweder ihr Geliebter oder ihr Sohn, das ist schwer zu sagen. Dottie kommt mir kurz in den Sinn. Wie niederschmetternd, den eigenen Mann mit der besten Freundin zu erwischen. Kein Wunder, dass Dave alles tut, um sie zu beschützen. Ich wünschte nur, » alles« hätte nicht beinhaltet, mich zu hintergehen.
Ich höre ein Scharren an der Tür, und gleich darauf summt der Türöffner.
» Abby, mein Schatz, ich bin zu Hause!«, ruft Robert und kommt ins Zimmer.
Er trägt einen dunkelgrauen Anzug und sieht, wie mir plötzlich bewusst wird, verdammt gut aus. Es ist so schön, ihn hier zu haben.
» Scharfer Anzug«, bemerke ich von meinem Aussichtspunkt auf dem Bett aus.
» Das olle Ding?«
» Können wir bitte essen gehen? Ich möchte gerne Hongkong am Abend sehen aus einer anderen Perspektive als immer nur durch das Fenster.«
Robert sieht mich stirnrunzelnd an. » Bist du schon fit genug?«
» Mir geht es blendend. Außerdem habe ich heute Nachmittag geschlafen!
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