Der letzte Single fangt den Mann
allein ein Vier-Gänge-Menü bestellt…« Er unterbricht sich kurz. » Ich war davor und auch danach mehrmals in Rom, aber dieses eine Mal ist mir am besten in Erinnerung geblieben.«
» Wir rennen zu viel herum. In London, meine ich. Es ist zu hektisch. Wir tun nie… nichts.«
» Aber so ist das Leben. Egal, wo man lebt. Vielleicht sollten wir öfter mal das Handy ausschalten und– wie war das Wort?– flanieren gehen.«
» Ich frage mich, ob man zu zweit flanieren kann. Oder ob Einsamkeit die einzige Möglichkeit ist, um derart aufnahmefähig zu sein.«
» Ich denke, das hängt davon ab, mit wem man flaniert. Erinnerst du dich an unseren Spaziergang im Regent’s Park?« Ich nicke. » An dem Tag habe ich Dinge gesehen, die mir vorher nie aufgefallen sind. Zum Beispiel, dass die Bäume so gepflanzt sind, dass der Park Raum und Balance hat. Oder dass es bestimmte Stellen gibt, an denen viel los ist, und andere, an denen man völlig ungestört ist. Und ich erinnere mich ganz deutlich an einen kleinen Jungen, der hinfiel und hysterisch losbrüllte. Ist das nicht seltsam?« Er macht eine Pause. » Ich frage mich, was der Kleine gerade macht.«
» Wahrscheinlich liest er Die kleine Raupe Nimmersatt.«
Er sieht mich an und grinst.
» Hoffentlich.«
» Ich habe diesen Tag auch genossen. Das war sehr entspannend.«
» Ja«, stimmt er mir zu und blickt mich in dem Moment an, in dem mir sein kleiner Ausraster einfällt. » Jedenfalls bis ich ausgeflippt bin.«
» Ah, ja, das war schrecklich«, sage ich und grinse.
Robert sieht mir tief in die Augen und grinst zurück, bevor sein Gesicht plötzlich ernst wird… Ich schaue schnell weg. Was passiert hier?
Als wir mit dem Essen fertig sind, verlangt Robert die Rechnung. Obwohl ich protestiere, lässt er mich nicht bezahlen. Ich ertappe mich wieder bei dem Gedanken an ein Date. O Gott, es ist wirklich wie bei einem Date.
Wir nehmen ein Taxi für die Rückfahrt bergab– Stichwort: eine sehr kurvige Strecke, sodass wir auf dem Rücksitz hin und her geschleudert und gegeneinandergedrückt werden, obwohl ich mich bemühe, mich an der Tür festzuklammern, damit ich nicht auf Robert rutsche– und kommen schließlich im Mandarin Oriental an.
» Lass uns hier im Hotel einen Absacker trinken«, sagt er. » Wenn du Lan Kwai Fong bei Nacht erlebst, bekomme ich dich nie ins Bett.«
Die elegante, zurückhaltende Bar befindet sich im Dachgeschoss des Hotels. Ein paar Gäste sitzen an den kleinen Tischen entlang der Theke, geschniegelte Typen, mit einem weltmännischen, wichtigen Habitus. Wir setzen uns an einen niedrigen Tisch in eine Ecke, von wo aus wir einen Ausblick auf den Hafen haben.
» Hongkong ist wunderschön«, sage ich und drehe mich zu Robert. » Man hört nie jemanden sagen, wie schön es ist.«
» Ich weiß.«
Er lächelt mich an. Unsere Blicke treffen sich, und ich spüre, dass ich wieder erröte. Ich schaue weg und schnappe mir die Cocktailkarte.
» Ich nehme einen Old Fashioned«, sage ich rasch.
» Whisky, sehr gesund für den Magen«, bemerkt er.
Wir sitzen ein paar Minuten lang schweigend da und genießen die Aussicht. Das Schweigen ist nicht unbehaglich, sondern vielmehr friedlich. Unsere Getränke kommen. Robert erhebt sein Glas.
» Auf dich. Und auf deine tolle neue Karriere.«
Wir stoßen an. Ich habe eine tolle neue Karriere vor mir, denke ich glücklich. Ich weiß, das ist das Richtige für mich. Ich bin mir sicher, dass ich das kann. Ich denke sogar, dass ich ganz gut darin sein könnte. Und ich kann endlich aus der Finanzbranche aussteigen, muss nicht mehr jemanden spielen, der ich nicht bin. Selbst wenn das mit dem neuen Job nicht klappt, selbst wenn Katherine es gar nicht so gemeint hat, werde ich trotzdem diese Karriere einschlagen.
» Weißt du noch, als du mir an Neujahr gesagt hast, dass ich weiß, was ich will im Leben, aber zu viel Angst habe, es mir einzugestehen?«, frage ich.
» Ja«, antwortet er.
» Du hattest recht. Ich muss meinen Job kündigen, damit ich ein Leben führen kann, das ich…«, ich unterbreche mich und überlege, » …das ich mir wünsche und genießen kann. Ich bin eine beschissene Finanzberaterin… Aber ich war viel zu erstarrt, um es mir einzugestehen. Es fällt mir schwer… Entscheidungen zu treffen.«
» Du hast eben auf den richtigen Zeitpunkt gewartet und die richtige Gelegenheit«, entgegnet er und lächelt mich entspannt an. » Jetzt ist es so weit.«
» Ja«, sage ich, nehme nachdenklich
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