Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4
Nebel und schirmte uns durch seinen freundlichen Schatten ab. Holmes zündete seine Laterne an und richtete das Licht auf die schwere Tür.
»Die stellt eine ernste Aufgabe dar«, sagte er. »Sie ist sicherlich verriegelt und verschlossen. Wir versuchen es besser durchs Souterrain. Dort gibt es einen vorzüglichen Torweg für den Fall, daß ein übereifriger Polizist sich einmischen sollte. Helfen Sie mir, Watson, ich gehe Ihnen dann auch zur Hand.«
Einige Minuten später standen wir in dem engen Raum zwischen Trottoir und Souterrain. Kaum hatten wir das schützende Dunkel erreicht, als aus dem Nebel über uns der Schritt eines Polizisten zu uns drang. Sowie das gedämpfte Geräusch verhallt war, begann Holmes seine Arbeit an der unteren Tür. Ich sah, wie er sich gebückt abmühte, bis sie mit einem harten Knall aufflog. Wir sprangen in den düstern Flur und schlossen die Tür hinter uns. Holmes ging vor mir die gewundene Treppe hinauf; sie besaß keinen Teppichbelag. Der gelbe Lichtstrahl seiner Lampe fiel auf ein tiefgelegenes Fenster.
»Da wären wir, Watson – dies muß es sein.« Er stieß das Fenster auf, und wir hörten ein mißtöniges leises Rauschen, das stetig zu lautem Donner anwuchs, als ein Zug in der Dunkelheit an uns vorüberschoß. Holmes führte die Laterne über den Fenstersims. Er war dick mit Ruß aus den vorbeifahrenden Lokomotiven beschichtet, aber die schwarze Fläche zeigte einige Wisch- und Schleif spuren.
»Hier sehen Sie, wo der Tote gelegen hat. Hallo, Watson! Was ist denn das? Ganz ohne Zweifel, ein Blutfleck.« Er deutete auf eine blasse Verfärbung am hölzernen Rahmen des Fensters. »Und hier, auf der steinernen Treppenstufe, ist auch einer. Ein perfekter Beweis. Bleiben wir hier, bis ein Zug anhält.«
Wir brauchten nicht lange zu warten. Die nächste Bahn stürmte wie die vorherige aus dem Tunnel, wurde dann aber unter freiem Himmel langsamer und stoppte schließlich mit knirschenden Bremsen unter uns. Vom Fenster bis zu den Wagendächern lag ein Zwischenraum von nicht einmal vier Fuß.
Holmes schloß sacht das Fenster.
»Bis hierher wären wir gerechtfertigt«, sagte er. »Was halten Sie davon, Watson?«
»Ein Meisterstück. Sie haben nie größer dagestanden.«
»Darin stimme ich mit Ihnen nicht überein. Von dem Moment an, da sich in mir die sicherlich nicht ganz abwegige Idee von der auf dem Dach liegenden Leiche gebildet hatte, mußte alles Nachfolgende sich von selbst ergeben. Wenn nicht so schwerwiegende Interessen auf dem Spiel stünden, wäre die ganze Angelegenheit bis jetzt nicht der Rede wert. Die Schwierigkeiten stehen uns noch bevor. Aber vielleicht finden wir hier noch etwas, das uns weiterhilft.«
Wir waren die Küchentreppe hinaufgestiegen und betraten die Zimmerflucht im ersten Stock. Einer der Räume war ein karg eingerichtetes Speisezimmer, das nichts von Interesse enthielt. Ein zweiter war ein Schlafzimmer, das sich ebenfalls als unergiebig für uns herausstellte. Der verbliebene Raum schien denn schon verheißungsvoller, und mein Gefährte machte sich an eine systematische Untersuchung. Bücher und Papiere lagen umher, offensichtlich wurde das Zimmer als Arbeitsraum genutzt. Schnell und methodisch ging Holmes den Inhalt der Schubladen und Schränke durch, doch kein Erfolgsschimmer hellte sein strenges Gesicht auf. Nach Ablauf einer Stunde war er nicht weiter als am Anfang.
»Der schlaue Hund hat seine Spuren verwischt«, sagte er. »Er hat nichts zurückgelassen, das ihn verdächtig machen könnte. Die gefährli che Korrespondenz ist vernichtet worden, oder er hat sie fortgeschafft. Das Ding da ist unsere letzte Chance.«
Er meinte eine kleine Geldkassette, die auf dem Schreibtisch stand. Holmes öffnete sie mit dem Meißel. Sie enthielt mehrere Papierrollen, die mit Zahlen und Berechnungen bedeckt waren, aber es fand sich kein Hinweis darauf, was sie bedeuteten. Die wiederkehrenden Wörter ›Wasserdruck‹ und ›Druck je Quadrat-Inch‹ legten einen möglichen Bezug auf Unterseebote nahe. Holmes warf alles ungeduldig beiseite. Nur ein Umschlag mit kleinen Zeitungsausschnitten blieb übrig. Er schüttete sie auf den Tisch, und sogleich erkannte ich an seinem erregten Gesicht, daß die Hoffnungen stiegen.
»Was ist das, Watson, he, was ist das? Eine Serie von Botschaften aus dem Anzeigenteil einer Zeitung, nach Druck und Papier die Seufzerspalte des ›Daily Telegraph‹. Die rechte obere Ecke
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