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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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Mal bin ich nach einem solchen Unwetter hinausgegangen in die Zugriffzone. Ein beklemmendes Gefühl beschleicht einen dabei. Die Menschen meiden diese Fläche. Man glaubt, jeden Augenblick ergriffen und in einen dunklen Abgrund geschleudert zu werden. Sie ist inzwischen von Staub und Flugsand bedeckt und man kann dort die merkwürdigsten Gegenstände finden.«
    Paul hantierte an einem Lederbeutel, den er an einem Band um den Hals trug, und leerte den Inhalt in die hohle Hand.
    »Hier ein Trauring R. F. 16. 1. 1873. Aber das Merkwürdigste: die flache Innenseite befindet sich außen, die gerundete innen, wie von mächtigen topologischen Kräften verformt. Hier der Teil eines Aluminiumschilds: oben ist ›… RAY‹ zu erkennen, wahrscheinlich die letzte Silbe eines Namens, darüber ›773‹ und darunter ›…ORCE‹. Sicher handelt es sich um die Hundemarke eines Piloten der Air Force, der Murray oder so ähnlich hieß. Hier: zwei goldüberkronte Backenzähne mit einer zweiteiligen Brücke dazwischen. Das da ist eindeutig ein menschlicher Daumen, völlig dehydriert und mumifiziert. Hier eine Schraube, ein Viertelzoll, von einer unglaublichen Kraft deformiert. Dieses Stückchen Messing muss von einer Schiffsarmatur stammen, denn hier an der Seite ist eine Noniusskala eingraviert und die Ziffern sieben und acht. Manchmal findet man noch ganz andere Dinge. Zerschmetterte Maschinenteile, bis zur Unkenntlichkeit verformt, Fetzen aus Aluminium-und Stahlblech, verkohltes Plastikmaterial, granuliertes Metall, das geschmolzen und wieder erstarrt ist, aber auch Leichenteile, abgerissene menschliche Gliedmaßen, meist völlig dehydriert, an manchen Stellen finden sich dunkle Flecken, als sei ein Schwall Blut oder Öl niedergegangen.«
    Paul ließ die Gegenstände wieder in den Lederbeutel fallen.
    »Treibgut der Zeit. Von den Brandungswellen, die von den Maschinen der achtziger Jahre erzeugt werden, in die Vergangenheit geschwemmt und ans Ufer gespült.
    Es scheint einiges nicht so zu funktionieren, wie man sich das vorgestellt hat«, sagte Paul achselzuckend.
    »Die Atlantiden haben sich eine Menge einfallen lassen, um gute Ratschläge in die Zukunft zu schicken, auffällige Anachronismen, unzerstörbare Zeitkapseln, eine Menge chronologischer Flaschenpost sozusagen, aber keine scheint angekommen zu sein. Vielleicht wurden sie an fremden Ufern angeschwemmt, an denen keine Menschen wohnen, oder die Erde trägt sie zu tief in ihrem Schoß und gibt sie nicht preis.«
     
    Als sie in der Festung anlangten und der Alltag wieder begann, wirkte sich Paul Looreys Gegenwart aus wie ein erfrischender Sommerregen. Alle lebten wieder auf, fassten neuen Mut.
    Er berichtete, dass das Atlantis-Projekt immer mehr Anhänger fände und einige Aussicht auf Erfolg hätte, wenn die Stützpunkte auf dem amerikanischen Festland sich weiter so gut entwickelten, um eine Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern und später auch mit Rohstoffen zu gewährleisten.
    Paul Loorey war entschlossen, wieder über den Atlantik zu gehen. »Der einzige zivilisierte Fleck auf dieser riesigen ungemütlichen Welt«, versicherte er.
    Nachdem sieben Monate lang keine Materialisation mehr stattgefunden hatte und die letzte Landung fünfzehn Monate zurücklag, beschlossen sie einstimmig, die Festung aufzulösen.
    Es war der 18. August des Jahres 50 nach der ersten registrierten Landung.
    Sie schrieben den Beschluss, ihre Namen und das Datum ins Logbuch; dann wurde es in eine Bleikassette eingelötet, in eine Zeitsonde aus unzerstörbarem Plastik eingeschmolzen und auf der Höhe des Monte Lapanu vergraben.
    Damit war das ehrgeizigste und kostspieligste Projekt der Menschheitsgeschichte offiziell für gescheitert erklärt.
    Sie alle taten es leichten Herzens, denn nichts verband sie mehr mit dem Zeitabschnitt, dem sie entstammten und der eine Blütezeit menschlicher Kultur hätte sein können, wenn er unter anderen Sternen gestanden wäre als unter denen auf den Schulterklappen ehrgeiziger Generäle.
    Sie überließen den größten Teil der Ausrüstung den unter Senegal, dem Sohn Goodlucks, vereinigten Stämmen. Er wollte Richtung Osten ziehen, um in der Tyrrhenischen Senke und dem sizilianischen Hochland neue Jagdgründe zu suchen.
    Jerome sprach davon zu Moses zu gehen, und Goodluck und Snowball wollten ihn begleiten. Steve war noch unentschlossen.
    So zogen sie mit einigen Kamelen und ihren persönlichen Habseligkeiten nach Norden und warteten südlich des späteren

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