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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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weitere auf dem Hauptbahnhof von Basel ebenso.
    Als er an diesem Abend verspätet zu Hause eintraf, fand er den Koffer bereits vor. Ein Unbekannter hatte seinen Namen benutzt und einen Taxifahrer beauftragt, das Gepäckstück zu ihm nach Hause zu bringen und seiner Frau auszurichten, er sei kurz aufgehalten worden und würde in spätestens einer Stunde eintreffen.
    Der Koffer enthielt alles, was sich darin befunden hatte - nur der Umschlag mit den Fotos und den Skizzen fehlte.
    Die Polizei fand angeblich nie eine Spur und brach die Ermittlungen bald ab. Kurz darauf wurde der Bestohlene unter obskurem Vorwand festgenommen und erst nach anderthalb Jahren aus der Untersuchungshaft entlassen.
     
    Captain Francis blickte in den Schnee hinaus, der dann und wann, von heftigen Windböen getrieben, fast waagrecht am Fenster vorbeiflog, doch er nahm ihn nicht wahr. Es schien eher, als fixierten seine Augen einen unendlich fernen Punkt.
    »Warum ausgerechnet Gibraltar?«, murmelte er. »Die schwächste Stelle.« Er benetzte Daumen und Zeigefinger mit Spucke und bügelte gedankenverloren seinen schmalen Schnurrbart mit langsamen Bewegungen von innen nach außen. »Die allerschwächste Stelle.«
    Hinter ihm auf dem Schreibtisch waren die Skizzen und Kalotypien von 1844 ausgebreitet. Daneben lag ein unförmiges, stark korrodiertes Stück Metall, das beinahe wie Holzkohle aussah, aber an einigen Stellen matt glänzte, wo Materialproben entnommen worden waren.
    Es wird also Ausfälle geben, dachte er. Nun, wo gehobelt wird, fallen Späne. Und da würde gehobelt werden, weiß Gott. Wir sind dabei, den größten Coup der Weltgeschichte zu landen - buchstäblich.
    Captain Francis lächelte, denn er war - wie immer - sehr, sehr zuversichtlich.

ARTEFAKT 1:
Tiefenbachers Knarre
    Axel Tiefenbacher, 1934 in Hanau bei Frankfurt geboren, war ein Waffennarr von frühester Jugend an. Er stahl und kaufte Schusswaffen, wann und wo er ihrer habhaft werden konnte. Und sie wurden schließlich sein Verhängnis.
    1949 hatte er eine zweijährige Jugendstrafe zu verbüßen, weil er bei einer Wirtshausschlägerei mit Besatzungssoldaten im Frankfurter Stadtteil Bockenheim einen Sergeant der US-Army angeschossen und erheblich verletzt hatte. Bei der Durchsuchung der elterlichen Wohnung fand die Polizei in der unbenutzten Waschküche des bombengeschädigten Hinterhauses ein Waffenversteck, wie sie es bis dahin selten entdeckt hatte. Es enthielt über vierzig Pistolen aus etlichen Ländern, hauptsächlich aber Waffen aus Beständen der ehemaligen deutschen Wehrmacht und aus amerikanischen Heeresbeständen sowie eine Maschinenpistole russischer Herkunft; dazu Munition jeden Kalibers, das Rohr einer Panzerfaust mit Treibsatz und mehrere Eierhandgranaten amerikanischen Ursprungs.
    Zur Herkunft seines Arsenals befragt, schwieg Tiefenbacher beharrlich. Nach seiner Haftentlassung 1951 ging es stetig bergab mit ihm. Er hatte kein Glück mehr, denn die Polizei hatte ein Auge auf ihn geworfen und verstand immer weniger Spaß, wenn sie ihn auf einer verdächtigen Tour erwischte.
    1952 saß er wieder acht Monate ein, wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Die Polizei suchte gründlich und fand zwei Schnellfeuergewehre aus englischen und vierzehn Pistolen aus amerikanischen Heeresbeständen, Teile eines MG-34-Maschinengewehrs der deutschen Wehrmacht und eine französische Panzerabwehrwaffe, die zwei Monate zuvor in Rastatt gestohlen worden war.
    Nachdem er im Sommer 1953 bei einem versuchten Autodiebstahl in der Frankfurter Innenstadt gefasst worden war, als er einen Passanten und einen Streifenpolizisten angeschossen hatte, wurde ihm klar, dass die Richter nun hart durchgreifen würden. Fünf Jahre waren das mindeste, was ihn erwartete.
    In derselben Nacht noch setzte er sich nach Süden ab, schwamm nördlich von Kehl über den Rhein und war in Straßburg, bevor die Fahndung nach ihm voll angelaufen war. Als sein Barvermögen erschöpft war - und das war es bald -, meldete er sich in Straßburg bei einem Rekrutierungsbüro der Fremdenlegion.
    Nach einer kurzen Ausbildungszeit in der Nähe von Perpignan und bei Oran wurde er nach Vietnam eingeschifft. Er war keine drei Monate an der Front, als ein Granatsplitter ihm den Ring-und den kleinen Finger der rechten Hand wegriss. Auf diese Weise blieb ihm Dien Bien Phu erspart. Er verbrachte zwei prächtige und ausschweifende Monate der Rekonvaleszenz in Marseille, bis er wieder dienstfähig war. Er wurde für Tapferkeit

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