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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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vor dem Feind - Tiefenbacher hatte sich in Vietnam als Scharfschütze hervorgetan - ausgezeichnet und zum Caporal befördert.
    Die Reste der Vietnam-Truppen waren nach Algerien verlegt worden, wo gerade jene Zeit begann, da die Grande Nation einiges von ihrer gloire einbüßte, eine Schlappe nach der anderen hinnehmen musste und es zuließ, dass ihre frustrierten Legionäre ihren Zorn an der Zivilbevölkerung ausließen. Tiefenbacher tat sich auch hierbei hervor, führte im Atlasgebirge ein paar heikle »Befriedungsaktionen« durch und stieg 1956 zum Caporal-Chef auf.
    Seine Einheit wurde nach Quarglia abkommandiert, wo ihr die Aufgabe zufiel, das Erdölgebiet von Hassi Messaoud zu sichern und Transporte auf der Ostpiste durch die Grand Erg Oriental zu den Bohrstellen von Bourarhet an der libyschen Grenze zu begleiten.
    Am 18. Januar 1957 befand sich Tiefenbacher mit zwei Panzerspähwagen und achtzehn Mann auf dem Rückweg nach Quarglia. Er und seine Leute hatten einen Lastwagenkonvoi in Richtung Fort Flatters bis Hi Bel Guebbour begleitet und ihn dort einer anderen Sicherungsgruppe übergeben. Es war kurz vor Einbruch der Dunkelheit, als sie südlich von Cassi Touil in einen Hinterhalt gerieten. Der erste Wagen fuhr auf eine Mine. Die Explosion war so stark, dass die Vorderachse des Fahrzeugs weggerissen und der Fahrer auf der Stelle getötet wurde. Als die Soldaten von der Ladefläche sprangen, wurden sie von einer Düne aus beschossen. Tiefenbacher verlor noch einen seiner Männer, und drei weitere wurden verletzt. Der Beifahrer, dem die Explosion beide Beine unterhalb der Knie weggerissen hatte, starb kurz darauf.
    Die Aufständischen ergriffen auf Reitkamelen die Flucht, und es war aussichtslos, sie in der Dunkelheit in das unwegsame Gelände zu verfolgen. Mit dem verbliebenen, intakten Fahrzeug den Rest seiner Leute, die drei Verwundeten und die Waffen nach Quarglia zurückzubringen, war unmöglich. Tiefenbacher nahm an, dass die Rebellen dies auch wussten; sie würden sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, den Konvoi zu erbeuten. Da ein Entsatzkorps aus Quarglia nicht vor acht bis zehn Stunden eintreffen würde, suchte er ein höher liegendes Gelände und befahl den Leuten, sich auf dem Kamm einer Düne zu verschanzen. Über Funk setzte er den Kommandanten von Quarglia von dem Überfall in Kenntnis und bat um Hilfe.
    Die Explosion der großen, wahrscheinlich selbst gebastelten Mine hatte einen gewaltigen Krater in den lockeren Sandboden gerissen. Tiefenbacher ließ das schwer beschädigte Fahrzeug mithilfe des anderen auf die Seite schleppen und untersuchte das Loch. Dabei entdeckte er einen schweren, stark verrosteten Metallgegenstand, der durch die Explosion halb aus dem Boden gerissen worden war. Tiefenbacher grub ihn vollends aus und musterte ihn neugierig. Er war etwa vierzig Zentimeter lang und schien ehemals ein Rohr dargestellt zu haben, dessen Wandung auf der einen Seite von der Erosion weggefressen worden war. Es war ihm als Fachmann sofort klar, dass dieses seltsame Rohr nichts mit der Mine zu tun gehabt hatte und zufällig durch die Explosion ans Tageslicht gekommen war. Tiefenbacher sah aber auch auf den ersten Blick, dass es sich dabei um den Rest einer schweren panzerbrechenden Waffe handeln musste. Er hielt es für ein verschlepptes Überbleibsel des deutschen Afrikafeldzugs, wunderte sich jedoch über den stark verwitterten Zustand, in dem das Metall war. Bei der extrem geringen Luftfeuchtigkeit der Erg blieben im Sand begrabene Teile aus Stahl erfahrungsgemäß über Jahrzehnte hinweg blank, ohne auch nur eine Spur Rost anzusetzen. Das Rohr dagegen sah aus, als hätte es Jahrzehnte in Salzwasser gelegen.
    Auf Befehl der Kommandantur mussten alle Waffen und Waffenteile, die im Aufstandsgebiet gefunden wurden, dem Gouvernement in Algier zugestellt werden, wo sie auf ihren Ursprung hin untersucht wurden; zum einen, weil die Araber selbst Steinschlossflinten reparierten, um sie gegen die verhassten Kolonialisten einzusetzen, zum anderen, weil man informiert sein wollte, aus welchen trüben Quellen die aufsässigen Wüstensöhne ihre Waffen bezogen.
    Tiefenbacher legte diesen Befehl in seinem Sinne aus: Er requirierte den seltsamen Fund für seine Privatsammlung, wickelte ihn in eine Decke und legte ihn unter den Fahrersitz. Dann stapfte er die Düne hinauf, auf der sich seine Leute verschanzt hatten. Sie waren eben dabei, ihre Maschinengewehre in Stellung zu bringen. Im Westen erlosch die

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