Der Letzte Tag Der Schoepfung
Immerhin schien ihm der Fund bedeutsam genug, um ihn in seinem Tagebuch zu erwähnen und Skizzen wie Fotografien aufzuheben und mit nach London zu nehmen, als er einige Wochen später in sein neues Haus zog.
Dort ruhte Gilmore Paschas Nachlass, bis an einem verregneten Samstagnachmittag im September 1968 Patrick Geston, seit 1966 verehelicht mit Catherine Geston, geborene Gilmore, Enkelin des Architekten Edward G. Gilmore jr. und Tochter des Bauunternehmers Arthur Edward Gilmore, in einem Anfall von Nostalgie das Tagebuch des Großvaters seiner Frau zur Hand nahm und darin schmökerte. Dabei stieß er auf jene Eintragung über das automobilähnliche Vehikel, das sein Vorfahr angeblich 1844 skizziert habe. Darunter stand in der säuberlichen Druckschrift des erfolgreichen Jugendstil-Architekten: »Es sind noch weitere Risszeichnungen und auch 32 Fotografien dabei, die jedoch leider schlecht fixiert wurden. Es sind nur Flecken darauf zu erkennen.«
Patrick Geston, Deutsch-und Englischlehrer, auch Gelegenheitsübersetzer, Liebhaber von Science Fiction und all der Literatur, die sich mit den Grenzen der Wissenschaft befasst und den Dingen, die jenseits dieser Grenzen liegen, wurde stutzig. Er trank sein Bier aus, kletterte auf den Speicher und durchstöberte Truhen und Pappschachteln, Kisten und Körbe. Schließlich wurde er fündig.
In einem festen braunen Kuvert, auf dem mit Tinte in denselben schönen Druckbuchstaben der Architektenschrift »Großvater Gilmore Paschas Automobil« geschrieben stand, steckte der gesuchte Packen. Zuoberst befand sich die Zeichnung des »Automobils«.
Geston zuckte zusammen, als hätte er einen elektrischen Schlag erhalten.
Das Ding war unverkennbar ein Jeep oder Landrover, auch wenn die Form nicht ganz stimmte. Kotflügel und Räder fehlten, und die Kühlerhaube lag tiefer, so als sei sie abgesackt.
Wo um alles in der Welt war der alte Oberst Gilmore im Jahre 1844 einem Jeep begegnet? Zu einem Zeitpunkt, da noch nicht einmal der Benzinmotor erfunden war?
Geston atmete tief durch und hielt die Blätter so vorsichtig, als drohten sie, ihm zwischen den Fingern zu Staub zu zerfallen. Wahnwitzige Ideen von Zeitsprüngen und Zeitreisen schossen ihm durch den Kopf: Die Story »Hawk among the Sparrows« von Dean McLaughlin, die zwei Monate zuvor in Analog erschienen war. Und die Zeitreisegeschichte eines deutschen Autors, dessen Name ihm nicht mehr einfallen wollte, die er in einem Science-Fiction-»Fanzine« gelesen hatte.
Er eilte hinunter in sein Arbeitszimmer und breitete mit zitternden Fingern die Fotos auf seinem Schreibtisch aus. Eine herbe Enttäuschung. Sie waren völlig vergilbt und wiesen braune Flecken auf. Einige davon zeigten bei exaktem Hinsehen zwar eine regelmäßige Struktur, aber was genau sie darstellten, daraus wurde er nicht schlau.
Dann legte er die achtundzwanzig Skizzen, chronologisch nach den Datumsangaben auf der Rückseite geordnet, hintereinander. Es war ihm sofort klar, dass es sich dabei um Querschnitte durch den »Jeep« handelte, und zwar von oben nach unten. Schließlich entdeckte er auch Ähnlichkeiten zwischen der Fleckenstruktur einiger der Aufnahmen und den Skizzen, die die untersten Querschnitte darstellten. All dies wies auf das Protokoll einer Ausgrabung hin.
Geston eilte hinaus ins Wohnzimmer und fragte atemlos seine junge Frau: »Was hat der alte Gilmore gemacht, Oberst Gilmore, dein Ur-Urgroßvater?«
Mrs. Geston blickte erschrocken von dem Buch auf, in dem sie las. Ein Regenschauer trommelte gegen die Fensterscheiben. »Was meinst du damit, was hat er gemacht?
Offizier war er. Ich glaube, Festungsbaumeister oder so was. Warum willst du das plötzlich wissen?«
»Und warum nannte man ihn Pascha?«, setzte Patrick nach, ohne auf ihre Frage einzugehen.
»Herrje, was weiß ich? Doch - warte mal! Ist er nicht eine Zeit lang in Ägypten gewesen? Ich glaube, er ist in Ägypten gewesen.«
Ägypten! Das Wort wirkte auf Patrick Geston wie ein magisches Zeichen. Er eilte in die Küche, holte sich eine Büchse Bier aus dem Kühlschrank und riss sie mit zitternden Fingern auf, um den Sand des ganzen Orients hinunterzuspülen, der sich plötzlich auf seinen Schleimhäuten abgelagert zu haben schien.
»Und wann war das?«, fragte er, als er ins Wohnzimmer zurückkehrte.
»Keine Ahnung, aber das muss sich doch feststellen lassen.«
Es ließ sich feststellen. Oberst Frank Gilmore war zum fraglichen Zeitpunkt nicht in Ägypten gewesen. Er war 1840 von
Weitere Kostenlose Bücher